|
Von einem
Pfarrer, der allzu kräftig predigte
Märchen von Johann Wilhelm Wolf, Seite 1 ( von 2 )
Es war einmal ein Bauer, der war so dumm, dass er sein eignes Haus im Orte nur
daran kannte, dass ein Kirschbaum vor der Tür stand. Jeden Morgen, wenn er
aufs Feld zur Arbeit ging, gab seine Frau ihm ein Stück Brot, damit musste
er umspringen bis zum Abend. Kam einmal ein armer Handwerksbursche daher und
bat ihn um ein Almosen: "Ich hab nur ein Stück Brot, da ist es,"
sprach der Bauer, "aber im Orte steht ein Haus und davor ein Kirschbaum,
da wohne ich; gehe dahin und lass dir mehr geben, meine Frau ist zu
Hause." Der Handwerksbursche, welcher ein Schneider seines Zeichen war,
ging in das Dorf, suchte das Haus und sagte der Frau, ihr Mann habe ihn zu ihr
geschickt und sie solle im etwas geben. Da gab sie ihm vollauf, denn er war ein
schöner Mensch und er gefiel ihr. Sie klagte ihm, wie sie mit ihrem dummen
Manne so übel dran sei und von Herzen wünsche, von ihm erlöst zu
werden. "Ei da ist nichts leichter," sprach der Schneider, "wenn
du mich heiraten willst, will ich alles Übrige schon in Ordnung
machen." Das garstige Weib freute sich zu sehr, als sie das hörte,
fiel dem Schneider um den Hals und rief ein über das andermal: "Ach
was bin ich für eine glückliche Frau!" "Gib mir vor allem
die Säge," sprach der Schneider und geh mit vor die
Haustüre." Das geschah und da sägten sie den Kirschbaum unten an
der Wurzel ab und schleiften ihn in die Scheune. "Jetzt sind wir
geborgen," sprach der Schneider, "nun lass uns lustig leben." Da
hausten die Beiden mit des Bauern sauer verdientem Geld, dass es eine Schande
war; Wein und Braten konnte nicht alle werden.
Als der Bauer auf dem Felde mit seiner Arbeit fertig war, trieb er mit seinen
Kühen nach dem Dorfe zurück. Da suchte er die Straße hinauf,
die Straße hinab nach dem Haus mit dem Kirschbaum davor, aber er fand es
nicht, und fand es nicht. Die Beiden standen am Fenster, sahen, wie der arme
Bauer suchte und lachten. Endlich sprach der Schneider, der doch kein so ganz
verdorbenes Herz hatte, wie das Weib: "Wir wollen ihn doch die Nacht noch
einmal bei und logieren lassen. Morgen mag er sehn, wie er sich
forthilft." Er trat an die Tür und als der Bauer wieder vorbeikam und
ein recht betrübtes Gesicht machte, rief er ihm zu und sprach: "Was
fehlt euch denn?" "Ach ich suche mein Haus, davor ein Kirschbaum
steht, und kann es nicht finden und habe doch die letzte Nacht darin
geschlafen. Sagt mir doch, wo ich mein Haus mit dem Kirschbaume finde,"
bat der Bauer und der Schneider sprach: "Lieber Freund, ich bin in dem Ort
geboren und erzogen, aber ein Haus mit einem Kirschbaum habe ich nie hier
gesehen. Ihr müsst in einem andern Ort zu Hause sein. Da es aber schon
spät ist, so geht mit mir und übernachtet bei mir." "Gott
lohn's euch!" sagte der Bauer und bot ihm treuherzig die Hand, dann trieb
er seine Kühe durch das Hoftor in den Stall und der Schneider ging mit. Im
Stalle schaute der Bauer sich um und sprach: "Wenn der Stall nicht euch
gehörte, weiß der Himmel, ich möchte drauf schwören, es
sei mein Stall." "Was sind das für Redensarten? Ihr werdet doch
nicht denken, ich hätte euren Stall genommen?" frug der Schneider.
"Bewahre, bewahre, lieber Freund," antwortete der Bauer. "Ein
Stall kann ja aber dem andern gleichen." Nachdem die Tiere versorgt waren,
sagte der Schneider: "Nun kommt herein und esst mit uns zu Nacht."
Von Herzen gern, ich habe großen Hunger," sprach der Bauer und
folgte dem Schneider. Als sie in die Stube kamen, saß das Weib da und
stickte. Der Bauer schaute sich um, guckte das Weib an und sprach: "Wie es
einem doch so kurios gehen kann! Wenn ich nicht wüsste, dass ich in eurem
Hause bin, wollte ich drauf schwören, das sei meine Stube und dort sitze
meine Frau." "Was muss ich da hören?" rief der Schneider.
"Zuvor sagtet ihr, dass es euch scheine, mein Stall sei euer, und jetzt
wollt ihr gar behaupten, mein Haus und meine Frau seien euer."
"Bewahre, lieber Freund," sprach der Bauer, "aber ein Haus und
eine Frau können einander gleichen.
|
|