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Von einem
Pfarrer, der allzu kräftig predigte
Märchen von Johann Wilhelm Wolf, Seite 2 ( von 2 )
Es schien mir nur so." Sie setzten sich jetzt zu Tische und aßen,
dann legten sie sich alle schlafen. Da beriet der Schneider mit dem Weibe, was
sie jetzt weiter machen sollten. "Halt ich hab's! rief er endlich.
"Ich sah in deinem Kleiderschrank vorhin ein schwarzes Kleid hängen,
daraus mache ich ihm einen Pfarrersrock und ein Pfarrerkäppchen. Für
das Übrige lass mich nur sorgen." Sie holte rasch das Kleid und
Zwirn, Nadel und Schere dazu, mein Schneider sprang auf den Tisch und
nähte tapfer drauf los, so dass er vor Tagesanbruch mit dem Anzuge fertig
war; den legte er dem Bauern vor sein Bett.
Als der Bauer morgens erwachte und sich anziehen wollte und der Pfarrersrock
mit dem Pfarrerskäppchen fand, war er gar verdutzt und sprach zu sich
selber: "Hab ich doch gemeint, ich sei ein Bauer und bin doch ein Pfarrer.
Was man sich nicht Alles einbilden kann!" Er zog sich an und ging in die
große Stube, da stand der Schneider und das Weib ehrerbietig auf und
grüßten ihn: Guten Morgen, lieber Herr Pfarrer." Der Bauer
schüttelte den Kopf und fragte sich selber aufs Gewissen noch einmal:
"Bin ich's, oder bin ich's nicht?" Da sprach der Schneider:
"Wollen Sie denn so früh schon weiter ziehen, Herr Pfarrer?" und
das Weib: "Ich will Ihnen vorher noch einen guten Kaffee kochen, Herr
Pfarrer." "Ich bin's nicht, ich bin der Pfarrer," sagte jetzt
der Bauer zu sich selbst, denn so große Falschheit hielt er in seiner
Treuherzigkeit nicht für möglich. "Ich nehme den Kaffee mit Dank
an," antwortete er alsdann, trank und aß und reiste weiter,
während der Schneider und das Weib sich ins Fäustchen lachten.
Gegen Mittag kam er an ein Dorf, da war der Pfarrer gestorben und die Bauern
suchten einen neuen Pfarrer. Da kam ihnen der Bauer gerade recht und er wurde
sogleich ins Pfarrhaus geführt und am folgenden Tage, der ein Sonntag war,
sollte er zuerst predigen. "Wem Gott ein Amt gibt, dem gibt er auch
Verstand," dachte der Bauer und ging Nachmittags aus, um einen Text zu
seiner Predigt zu suchen. Da kam er an ein Wasser, worauf ein Korb schwamm und
er sprach: "Halt, da habe ich schon eins, das ist Corpum." Dann kam
er an eine Wiese, worauf eine Kuh Klee fraß. "Es geht gut,"
sprach er, " das ist also Corpum Kuhkleeum." Dann kam er an den Weg,
wo eine alte Frau saß. "Jetzt hab' ich den Text," sprach er;
"Corpum Kuhkleeum diealta Mameum." Ging nach Hause zurück,
ließ vier Zimmerleute kommen, die mussten den andern Morgen vor der
Predigt auf den Boden gehen jeder mit einer Axt. Was sie da zu tun hatten,
sagte er ihnen ins Ohr.
Morgens als die Gemeinde in der Kirche saß, bestieg er die Kanzel und
sprach: "Meine lieben Zuhörer jetzt fange ich meine Predigt an, deren
Text ist schon so kräftig, dass Holz und Stein in der Kirche sich
darüber erbarmen und krachen und bersten vor lauter Rührung und ihr
alle werdet weinen und jammern, als wenn das jüngste Gericht
anbräche." "Ah das ist einmal ein Prediger für uns"
sagten die Bauern einer zum andern, als sie husteten und sich schnäuzten.
"Der versteht's. Jetzt fuhr der Pfarrer fort: "Mein Text lautet aber
also: Corpum Kuhkleeum." Da schlugen zwei Ziommerleute mit ihren
Äxten wider die Decke, dass es Kalk und Lehm regnete. "Die alta
Mameum!" schrei der Pfarrer weiter und da handhabten sie die Äxte
alle vier, so dass große Stücke von der Decke hernieder rieselten
und die Bauern alle aus der Kirche flohen, denn sie glaubten nicht anders als
sie stürze ein. Er aber ging zufrieden nach Hause.
Da kam der Bürgermeister mit dem Gemeinderat zu ihm und sprach:
"Lieber Herr Pfarrer, unsere Kirche ist nicht für so kräftige
Predigten gebaut. Da wir aber ein Mann wie euch um alles in der Welt als
Pfarrer behalten wollen, so bitten wir euch um Erlaubnis, euch noch einen
Pfarrgehilfen geben zu dürfen." "Daran tut wie euch
gefällt, liebe Pfarrkinder," sprach der Pfarrer. Er bekam jetzt einen
Gehilfen, brauchte nicht mehr zu predigen und hatte gute Tage bis an sein Ende.
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