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Vom
Stiefelputzer Hinkelbrühe
Märchen von Johann Wilhelm Wolf, Seite 1 ( von 2 )
Ein Handwerksbursche konnte nirgendwo Arbeit finden, da ging er endlich in das
Schloss und verdingte sich dem König als Stiefelputzer. Der König
frug ihn: "Wie heißt du denn?" "Ich heiße
Vorgestern", sprach er. "Das ist ein sonderbarer Name", sprach
der König.
Als er den folgenden Morgen der Prinzessin ihr Schuhe blank gewichst brachte,
frug sie ihn: "wie heißt du denn?" "Ich heiße
Hinkelbrühe", sprach er. Da lachte sie laut auf und rief: "Ach
was ist das ein wunderlicher Name!"
Im Lauf des Tages begegnete er der Königin im Garten. Als sie den neuen
Diener sah, frug sie: "Wie heißt du denn?" "Ich
heiße Gestern", sprach er. "Das ist ein sonderbarer Name",
sprach die Königin.
Die anderen Bedienten hätten auch gern seinen Namen gewusst und frugen
ihn: "Wie heißt du denn?" "Ich heiße Heute",
sprach er und sie lachten ihn aus, dass er einen so sonderbaren Namen habe.
Ein Handwerksbursche weiß auch, was lieben ist, das kann man alle Tage
hören, wenn sie aus dem Tore ziehen und ihre Abschiedslieder an die
Schätze singen, die klingen gar oft betrübt. Der Stiefelwichser
wusste das nicht minder, als seine Kameraden und verliebte sich in niemand
Geringeres, als in die Königstochter. Mit seinem Lieben allein war ihm
aber nicht gedient, die Prinzessin sollte ihn auch wieder lieben und das schien
sie nicht zu wollen, denn wenn er meinte, das Herz müsse ihm vor lauter
Liebe brechen und oft ein recht betrübtes Gesicht machte, dann frug sie
noch nicht einmal: "Was fehlt dir Hinkelbrühe?" Das trug er eine
Zeitlang, aber endlich wurde es ihm zu arg und er sprach zu sich selbst:
"Was ich mit Güte nicht erlangen kann, das will ich schon mit List
und Gewalt bekommen."
Eines Tages sah er in der Küche, wie die Köchin vom Schlosse Hinkel
schlachtete und sie in den Kessel warf, um für die Prinzessin Suppe davon
zu kochen. "Merkst du, Hinkelbrüh? Sie will dich haben," sprach
er zu sich selbst, und als es gegen Abend ging, da war sein Plan schon gemacht.
Er ging zum Kutscher und sprach: "Du, die Prinzessin hat mir befohlen,
ihre Kammerjungfer um zwölf Uhr über die Grenze zu schaffen, denn die
ist plötzlich narrig geworden, und du sollst uns fahren." Dasselbe
sagte er später auch den andern Bediensteten, welche ihn darüber
verspotteten und sprachen: "Ein Narr wird den andern wohl fort
bringen."
Als es gegen zwölf Uhr ging, schlich sich mein Stiefelputzer in das Zimmer
der Prinzessin, stopfte seine Taschen voll Gold und Geld, fasste dann rasch das
arme Mädchen in ihren Decken und lief mit ihr Hals über Kopf die
Treppe hinab auf den Hof, wo der Wagen schon stand. Ehe er aber noch aus dem
Schlafzimmer war, rief die Prinzessin: "Hilfe, Mutter, Hilfe!"
"Was ist dir mein Kind?" frug die Königin erschrocken.
"Ach, Hinkelbrüh, Hinkelbrüh!" schrie die Prinzessin.
"Die kann es nicht sein, sprach die Königin, "die
Hinkelbrühe war kräftig und ist dir gesund," denn sie dachte an
die Hinkelbrühe, welche am Mittag gegessen worden war. Als sie aber
aufstand und in das Schlafzimmer der Prinzessin kam, war das Bett leer. Sie
lief ans Fenster, da sah sie wie der Stiefelputzer ihre Tochter in den Wagen
legte und dem Kutscher winkte fortzufahren. "Hilfe" schrie sie,
"Gestern hat die Prinzessin geraubt." "Was tobst du nur",
rief der König, der jetzt auch erwachte, "gestern war sie ja bei uns
bis spät abends." Als er aber aufstand und ans Fenster zu seiner Frau
trat, da schrie er gleichfalls: "Herbei, zu Hilfe, Vorgestern hat meine
Tochter entführt!"
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