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Aschenputtel
Märchen der Gebrüder Grimm, Seite 4 ( von 4 )
Da blickte er auf ihren Fuß und sah wie das Blut herausquoll. Er wendete
sein Pferd um, brachte die falsche Braut wieder nach Haus und sagte das
wäre nicht die rechte, die andere Schwester sollte den Schuh anziehen. Da
ging diese in die Kammer und kam mit den Zehen glücklich in den Schuh,
aber die Ferse war zu groß. Da reichte ihr die Mutter ein Messer und
sprach: "Hau ein Stück von der Ferse ab, wenn du Königin bist,
brauchst du nicht mehr zu Fuß zu gehen." Das Mädchen hieb ein
Stück von der Verse ab, zwängte den Fuß in den Schuh, verbiss
den Schmerz und ging heraus zum Königssohn. Da nahm er sie als seine Braut
aufs Pferd und ritt mit ihr davon. Als sie an dem Haselbäumchen
vorbeikamen, saßen die zwei Täubchen darauf und riefen.
"Rucke di guck, rucke di guck,
Blut ist im Schuck:
Der Schuck ist zu klein,
die rechte Braut sitzt noch daheim."
Er blickte nieder auf ihren Fuß, und sah wie das Blut aus dem Schuh quoll
und an den weißen Strümpfen ganz rot heraufgestiegen war. Da wendete
er sein Pferd, und brachte die falsche Braut wieder nach Haus. "Das ist
auch nicht die rechte", sprach er, "habt ihr keine andere
Tochter?" "Nein", sagte der Mann, "nur von meiner
verstorbenen Frau ist noch ein kleines verbuttetes Aschenputtel da; das kann
unmöglich die Braut sein." Der Königssohn sprach er sollt es
herausschicken, die Mutter aber antwortete: "Ach nein, das ist viel zu
schmutzig, das darf sich nicht sehen lassen." Er wollte es aber durchaus
haben, und Aschenputtel musste gerufen werden. Da wusch es sich die erst
Hände und Angesicht rein, ging dann hin und neigte sich vor dem
Königssohn, der ihm den goldenen Schuh reichte. Dann setzte er sich auf
einen Schemel, zog den Fuß aus dem schweren Holzschuh und steckte ihn in
den Pantoffel, der war wie angegossen. Und als er sich in die Höhe
richtete und der König ihm ins Gesicht sah, so erkannte er das schöne
Mädchen, das mit ihm getanzt hatte, und rief: "Das ist die rechte
Braut!" Die Stiefmutter und die beiden Schwestern erschraken und wurden
bleich vor Ärger. Er aber nahm Aschenputtel aufs Pferd und ritt mit ihm
fort. Als sie an dem Haselbäumchen vorbei kamen, riefen die zwei
weißen Täubchen:
"Rucke di guck, rucke die guck,
kein Blut im Schuck:
Der Schuck ist nicht zu klein,
die rechte Braut die führt er heim."
Und als sie das gerufen hatten, kamen sie beide herabgeflogen und setzten sich
dem Aschenputtel auf die Schultern, eine rechts, die andere links, und blieben
da sitzen.
Als die Hochzeit mit dem Königssohn sollte gehalten werden, kamen die
falschen Schwestern, wollten sich einschmeicheln und Teil an seinem Glück
nehmen. Als die Brautleute nun zur Kirche gingen, war die älteste zur
rechten, die jüngste zur linken Seite. Da pickten die Tauben einer jeden
das eine Auge aus. Hernach als sie heraus gingen, war die älteste zur
linken und die jüngste zur rechten; da pickten die Tauben einer jeden das
andere Auge aus. Und waren sie also für ihre Bosheit und Falschheit mit
Blindheit auf ihr Lebtag gestraft.
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