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Die Goldmaria
und die Pechmaria
Märchen von Ludwig Bechstein, Seite 1 ( von 2 )
Es war einmal eine Witwe, die hatte zwei Töchter, eine rechte Tochter und
eine Stieftochter; beide hießen Maria. Aber die rechte Tochter war als
Kind von ihrer Mutter sehr verzärtelt worden, auch war sie von Charakter
nicht gut und fromm, daher sie, als sie nun zur Jungfrau herangewachsen war,
nicht nur eigensinnig und bösartig, sondern auch sehr anmaßend und
gefühllos war, sie hatte für nichts Sinn als sich immer mit
schönem Putz zu bekleiden, in den Spiegel zu sehen und
Vergnügungsorte zu besuchen, worin sie ihre schwache Mutter noch
bestärkte. Dagegen war die Stieftochter, die älteste, ein
bescheidenes, sittiges Mädchen, das aber gar viele Kränkungen und
Zurücksetzungen von der Mutter und Schwester erdulden musste. Doch sie war
stets freundlich, tat die Küchenarbeiten unverdrossen, und weinte nur
manchmal heimlich in ihrem Schlafkämmerlein, wenn sie von Mutter und
Schwester so viel Unbilliges zu leiden hatte. Aber bald war sie dann allemal
wieder heiter und frischen Mutes, und sprach zu sich selbst: "Sei ruhig,
der liebe Gott wird dir schon helfen." Dann tat sie fleißig ihr
Arbeit, und machte Alles nett und sauber. Ihrer Mutter arbeitete sie immer
nicht genug; eines Tages sagte diese sogar: "Maria, ich kann dich nicht
länger zu Hause behalten, Du arbeitest wenig und isst viel, und Deine
Mutter hat Dir kein Vermögen hinterlassen, auch Dein Vater nicht, es ist
alles mein, und ich kann und mag Dich nicht länger ernähren, daher Du
ausgehen musst, Dir einen Dienst bei einer Herrschaft zu suchen." Und sie
buk von Asche und Milch einen Kuchen, füllte ein Krüglein mit Wasser,
gab Beides der armen Maria, und schickte sie aus dem Hause.
Maria war sehr betrübt ob dieser Härte; doch schritt sie mutig durch
die Felder und Wiesen, und dachte: es wird Dich schon Jemand als Magd
aufnehmen, und vielleicht sind fremde Menschen gütiger als die Mutter. Als
sie Hunger fühlte, setzte sie sich in's Gras nieder, zog ihren
Aschenkuchen hervor und aß und trank aus ihrem Krüglein, und viele
Vöglein flatterten herbei, pickten an ihrem Kuchen, und sie goss Wasser in
ihre Hand und ließ die munteren Vöglein trinken. Und da verwandelte
sich unbemerkt ihr Aschekuchen in eine süße Torte, ihr Wasser in
köstlichen Wein. Gestärkt und freudig zog die arme Maria weiter, und
kam, als es dunkel wurde, an ein seltsam gebautes Haus, davor waren zwei Tore,
eines sah pechschwarz aus, das andere glänzte von purem Gold. Bescheiden
ging Maria durch das minder schöne Tor in den Hof, und klopfte an die
Haustüre. Ein Mann von schrecklich wildem Ansehen tat die Tür auf und
fragte barsch nach ihrem Begehren. sie sprach zitternd: "Ich wollte nur
fragen, ob Ihr nicht so gütig sein möchtet, mich über Nacht zu
beherbergen?" und der Mann brummte: "Komm herein!" Sie folgte
ihm und bebte noch mehr zusammen, als sie drinnen im Zimmer nichts weiter sah
und hörte als Hunde und Katzen, und deren abscheuliches Geheul. Es war
außer dem wilden Thürschemann (so hieß dieser Mensch) Niemand
weiter in dem ganzen Hause.
Nun brummte der Thürschemann der Maria zu: "Bei wem willst Du
schlafen, bei mir oder bei Hunden und Katzen?" Maria sprach: "Bei
Hunden und Katzen." Da musste sie aber gerade neben ihm schlafen, und er
gab ihr ein so schönes weiches Bette, dass Maria ganz herrlich und ruhig
schlief. Am Morgen brummte Thürschemann: "Mit wem willst Du
frühstücken , mit mir oder mit Hunden und Katzen?" Sie sprach:
Mit Hunden und Katzen." Da musste sie mit ihm trinken, Kaffee und
süßen Rahm. Wie Maria fortgehen wollte, brummte Thürschemann
abermals: "Zu welchem Tor willst Du hinaus, zum Goldtor oder zum
Pechtor?" und sie sprach: "Zum Pechtor." Da musste sie durchs
goldene gehen, und wie sie durchging, dass Thürschemann oben darauf und
schüttelte so derb, dass das Tor erzitterte und dass Maria ganz von Gold
überdeckt war, das von dem Goldtore auf sie herabfiel.
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