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Die Goldmaria
und die Pechmaria
Märchen von Ludwig Bechstein, Seite 2 ( von 2 )
Nun ging sie wieder heim, und ins elterliche Haus eintretend kamen ihre
Hühner, die sie sonst immer gefüttert, ihr freudig entgegengeflogen
und gelaufen, und der Hahn schrie: Kikiriki, da kommt die Goldmarie! Kikiriki!
Und ihre Mutter kam die Treppe herunter und knixte so ehrfurchtsvoll vor der
goldenen Dame, als wenn sie eine Prinzessin wäre, die ihr die Ehre ihres
Besuches schenkte. Aber Maria sprach: "Liebe Mutter, kennst du mich denn
nicht mehr? Ich bin ja die Maria."
Jetzt kam auch die Schwester, ganz erstaunt und verwundert, wie die Mutter, und
beide voll Neides, und Maria musste erzählen, wie wunderbar es ihr
ergangen, und wie sie zu dem Golde gekommen war. Nun nahm sie ihre Mutter wohl
auf, und hielt sie auch besser wie zuvor, und Maria wurde von Jedermann geehrt
und geliebt; bald fand sie auch ein braver junger Mann, der Marien als Gattin
heimführte und glücklich mit ihr lebte.
Der anderen Maria aber wuchs der Neid im Herzen, und sie beschloss, auch fort
zu gehen und übergoldet wiederzukommen. Ihre Mutter gab ihr
süßen Kuchen und Wein mit auf die Reise, und wie Maria davon
aß, und Vöglein geflogen kamen, um auch mit zu schmausen, jagte sie
dieselben ärgerlich fort, ihr Kuchen aber verwandelte sich unbemerkt zu
Asche, und ihr Wein in mattes Wasser. Am Abend kam Maria ebenfalls an
Thürschemanns Tore; sie ging stolz zu dem goldenen hinein, und klopfte
dann an die Haustüre. Wie der Thürschemann auftat und brummig nach
ihrem Begehren fragte, sagte sie schnippisch: "Nun, ich will hier
übernachten." Und er brummte: "Komm herein!" Dann fragte er
auch sie: "Bei wem willst Du schlafen, bei mir oder bei den Hunden und
Katzen?" "Bei Euch, Herr Thürschemann!" Aber er führte
sie in die Stube, wo Hunde und Katzen schliefen, und schloss sie hinein. Am
Morgen war Mariens Angesicht hässlich zerkratzt und zerbissen.
Thürschemann brummte wieder:Mit wem willst du Kaffee trinken, mit mir oder
mit Hunden und Katzen?" "Ei, mit euch,"" sagte sie, und
musste nun gerade wieder mit Katzen und Hunden trinken. nun wollte sie fort.
Thürschemann brummte abermals: "Zu welchem Tor willst Du hinaus, zum
Goldtor oder zum Pechtor?" und sie sagte: "Zum Goldtor, das versteht
sich!" Aber diese wurde sogelich verschlossen und sie musste zum Pechtor
hinaus, und Thürschemann saß obendrauf, rüttelte und
schüttelte, dass das Tor wackelte und da viel so viel Pech auf Marien
herunter, dass sie über und über voll wurde.
Als nun Maria voll Wut auf ihr hässliches Ansehen nach Hause kam,
krähte der Gockelhahn ihr entgegen: Kikiriki, da kommt die Pechmarie!
Kikiriki! Und ihre Mutter wandte sich voll Abscheu von ihr, und konnte nun ihre
hässlichen Tochter nicht wieder vor den Leuten sehen lassen, die hart
gestraft blieb, darum, dass sie so auf Gold erpicht gewesen.
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