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Die beiden
kugelrunden Müller
Märchen von Ludwig Bechstein, Seite 2 ( von 2 )
Und hassten und bekriegten einander schon zehn Jahre. Auf jedem Kirchweihtag,
wo sie hinkamen, gerieten sie einander, und fochten gegen einander mit Worten
und Waffen; es konnte aber ihrer keiner dem Andern etwas anhaben, und waren
zwei gar sehr gefürchtete Kampfhelden. Der eine Müller hatte einen
Sohn, der andere eine Tochter, welche beide einander so sehr liebten, als die
Väter einander hassten, und darüber wurde der Zweispalt noch
größer, bis endlich gute und einsichtsvolle Freunde sich ins Mittel
schlugen und beiden Müllern rieten, gute Freunde zu werden und ihre Kinder
mit einander zu verheiraten.
Wie das Gerücht vom Bündnis der beiden Müller ins Land erscholl,
und dass sich sogar ihre Kinder miteinander verheiraten wollten, da erhob sich
große Unruhe und Besorgnis, denn jeder konnte sich nun an den Fingern
abzählen, dass die beiden Kugelrunden sein würden wie zwei
Mühlsteine, zwischen denen alles was ihnen zu nahe käme, würde
ausgerieben werden. Und wer jetzt dem einen Müller zu nahe trat, hatte es
gleich mit beiden zu tun, und konnte kein Fürst die beiden Wämser
überwinden, denn die Müller glichen runden Burgen, waren auch nicht
auszuhungern durch eine Belagerung, denn sie hatte auch in ihren Wämsern
manche Metze gefasst, von der sie zehren konnten lange Zeit. Da aber nun die
beiden unüberwindlichen Helden also mannhaft waren, dass selbst der Kaiser
große Mühe gehabt haben würde, sie zu überwältigen,
so musste man nur froh sein, dass sie ihre große Macht gegen die Feinde
des Reiches kehrten, und begehrten gar kein Gold an Lohn, sondern nur die Ehre,
fechten und streiten zu dürfen. Und war das nur ihre einzige Klage, dass
so mancher Tag verging, an dem sie keines Gegners ansichtig wurden, weil ihr
Ruf so weit und breit genannt war, dass sich alles vor ihnen fürchtete.
Viele tapfre Taten vollführten die beiden kugelrunden Müller, seit
sie miteinander verbunden waren, und wenn man diese Taten und die Abenteuer,
welche durch sie bestanden wurden, niedergeschrieben hätte, so wär
das ein Buch geworden, zweimal so stark wie die Bibel und die Weltchroniken.
Auch taten sie mehr Wundertaten, als alle die Recken, von denen die alten
Lieder und Geschichten sagen. Endlich schlugen sie ihre Wohnung in einer
Wüste hinten an der Welt Ende auf, und wenn sie nicht gestorben sind so
leben sie heute noch.
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