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Der Zauberer
und seine Kinder
Märchen von Ludwig Bechstein, Seite 1 ( von 2 )
Es lebte einmal ein alter böser Zauberer, der hatte vorlängst zwei
zarte Kinder geraubt, einen Knaben und ein Mägdelein, mit denen er in
einer Höhle ganz einsam und einsiedlerisch hauste. Diese Kinder hatte er,
Gott sei's geklagt, dem Bösen zugeschworen, und seine schlimme Kunst
übte er aus einem Zauberbuche, das er als seinen besten Schatz verwahrte.
Wenn es nun aber geschah, dass der alte Zauberer sich aus seiner Höhle
entfernte, und die Kinder allein in derselben zurückblieben, so las der
Knabe, welcher den Ort erspäht hatte, wohin der Alte das Zauberbuch
verbarg, in dem Buche, und lernte daraus gar manchen Spruch und manche Formel
der Schwarzkunst, und lernte selbst ganz trefflich zaubern. Weil nun der Alte
die Kinder nur selten aus der Höhle ließ, und sie gefangen halten
wollte bis zu dem Tage, wo sie dem Bösen zum Opfer fallen sollten, so
sehnten sie sich um so mehr von dannen, berieten miteinander, wie sie heimlich
entfliehen wollten, und eines Tages, als der Zauberer die Höhle sehr
zeitig verlassen hatte, sprach der Knabe zur Schwester: "Jetzt ist es
Zeit, Schwesterlein! Der böse Mann, der uns so hart gefangen hält,
ist fort, so wollen wir uns jetzt aufmachen und von dannen gehen, soweit uns
unsre Füße tragen!" Dies taten sie Kinder, gingen fort und
wanderten den ganzen Tag.
Als es nun gegen den Nachmittag kam, war der Zauberer nach Hause
zurückgekehrt und hatte sogleich die Kinder vermisst. Also bald schlug er
sein Zauberbuch auf und las darin, nach welcher Gegend die Kinder gegangen
waren. Dann machte er sich gleich auf den Weg und folgte der Spur der Kinder
voller Zorn und Grimm. Und wie es Abend war, da hatte er sie wirklich bald
eingeholt; die Kinder vernahmen schon seine zornig brüllende Stimme, und
die Schwester war voller Angst und Entsetzen, und rief: "Bruder, Bruder!
Nun sind wir verloren; der böse Mann ist uns schon ganz nahe!" Da
wandte der Knabe seine Zauberkunst an, die er gelernt hatte aus dem Buche; er
sprach einen Spruch, und als bald wurde seine Schwester zu einem Fisch, und er
selbst wurde ein großer Teich, in welchem das Fischlein munter
herumschwamm.
Wie der Alte an den Teich kam, merkte er wohl, dass er betrogen war, brummte
ärgerlich: "Wartet nur, wartet nur, euch fange ich doch!" und
lief spornstreichs nach seiner Höhle zurück, Netze zu holen, und den
Fisch darin zu fangen. wie er aber von hinnen war, wurde aus Teich und Fisch
wieder Bruder und Schwester, die verbargen sich gut und schliefen sich aus, und
am andern Morgen wanderten sie weiter, und wanderten wieder einen ganzen Tag.
Als der böse Zauberer mit seinen Netzen an die Stelle kam, die er sich
wohl gemerkt hatte, war kein Teich mehr zu sehen, sondern es lag eine
grüne Wiese da, in der es wohl Frösche, aber keine Fische zu fangen
gab; da wurde er noch zorniger wie zuvor, warf seine Netze hin und verfolgte
weiter die Spur der Kinder, die ihm nicht entging, denn er trug eine
Zaubergerte in der Hand, welche ihm den richtigen Weg zeigte.
Und als es Abend war, hatte er die wandernden Kinder beinahe wieder eingeholt;
sie hörten ihn schon schnauben und brüllen, und die Schwester rief
wieder: "Bruder, lieber Bruder! Jetzt sind wir verloren, der böse
Feind ist dicht hinter uns!"
Da sprach der Knabe wiederum einen Zauberspruch, den er aus dem Buche gelernt,
und da ward aus ihm eine Kapelle am Weg, und aus dem Mägdlein ein
schönes Altarbild in der Kapelle.
Wie nun der Zauberer an die Kapelle kam, merkte er wohl, dass er abermals
geäfft war, und lief fürchterlich brüllend um dieselbe herum; er
durfte sie aber nicht betreten, weil das immer im Packt der Zauberer mit dem
Bösen stand, dass sie niemals eine Kirche oder Kapelle betreten
dürften.
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