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Die glückliche Familie

Märchen von Hans Christian Andersen, Seite 1 ( von 2 )

Das größte grüne Blatt hier zu Lande ist sicherlich das Klettenblatt; hält man es vor seinen kleinen Leib, so ist es gerade wie eine ganze Schürze, und legt man es auf seinen Kopf, dann ist es im Regenwetter fast ebenso gut wie ein Regenschirm, denn es ist ungeheuer groß. Nie wächst eine Klette allein, nein! wo eine wächst, da wachsen auch mehrere, es ist eine große Herrlichkeit, und all diese Herrlichkeit ist Schneckenspeise. Die großen weißen Schnecken, woraus vornehme Leute in früheren Zeiten Leckerbissen bereiten ließen, speisten und sagten: "Hm! Schmeckt das prächtig!" - denn sie glaubten nun einmal, dass dieselben gut schmecken - diese Schnecken lebten von Klettenblätter und deswegen wurden die Kletten gesät.
Nun gab es da ein altes Rittergut, wo man keine Schnecken mehr speiste, diese waren beinahe ganz ausgestorben, aber die Kletten waren nicht ausgestorben, sie wuchsen über alle Gänge und Beete, man konnte ihrer nicht mehr Meister werden. Es war ein förmlicher Klettenwald, hin und wieder stand ein Apfel- und ein Pflaumenbaum, sonst hätte man gar nicht vermuten können, dass dies ein Garten gewesen sein. Alles war Klette und drinnen wohnten die beiden letzten steinalten Schnecken.
Sie wussten selbst nicht, wie alt sie waren, aber sie konnten sich sehr wohl erinnern, dass ihrer weit mehr gewesen, dass sie von einer Familie aus fremden Ländern abstammen und dass für sie und die Ihrigen der ganze Wald gepflanzt worden war. Sie waren nie aus demselben hinaus gekommen, aber sie wussten doch, dass es außerdem noch etwas in der Welt gab, was der Herrenhof hieß, und da oben wurde man gekocht, und dann wurde man schwarz, und dann wurde man auf eine silberne Schüssel gelegt, aber was dann weiter geschah, das wussten sie nicht. Wie das übrigens war, gekocht zu werden und auf einer silbernen Schüssel zu liegen, das konnten sie sich nicht denken, aber schön sollte es sein und außerordentlich vornehm. Weder die Maikäfer noch die Kröten oder die Regenwürmer, welche sie darum befragten, konnte ihnen Bescheid darüber geben; keiner von ihnen war gekocht worden oder hatte auf einer silbernen Schüssel gelegen.
Die alten weißen Schnecken waren die vornehmsten in der Welt, das wussten sie; der Wald war ihrethalber da, und der Herrenhof war da, damit sie gekocht und auf eine silberne Schüssel gelegt werden konnten.
Sie lebten nun sehr einsam und glücklich, und da sie selbst keine Kinder hatten, so hatten sie eine kleine, gewöhnliche Schnecke angenommen, die sie wie ihr eignes Kind erzogen; aber die Kleine wollte nicht wachsen, denn es war nur eine gewöhnliche Schnecke. Die Alten, besonders die Mutter, die Schneckenmutter, glaubte doch zu bemerken, dass sie zunahm, und sie bat den Vater, wenn er das nicht sehen könnte, so möge er doch nur das kleine Schneckenhaus anfühlen, und dann fühlte er und fand, dass die Mutter recht habe.
Eines Tages regnete es stark.
"Höre, wie es auf den Kletten tromme-romme-rommelt!" sagte der Schneckenvater.
"Da kommen auch Tropfen!" sagte die Schneckenmutter. "Es läuft ja gerade am Stängel herab! Du wirst sehen, dass es hier nass werden wird. Ich bin froh, dass wir unsere guten Häuser haben und dass der Kleine auch eins hat! Für uns ist reichlich mehr getan als für alle anderen Geschöpfe, man kann also sehen, dass wir die Herrn der Welt sind! Wir haben ein Haus von der Geburt ab und der Klettenwald ist unsertwegen gesät! - Ich möchte wohl wissen, wie weit er sich erstreckt und was außerhalb desselben ist!"

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