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Der Engel
Märchen von Hans Christian Andersen, Seite 2 ( von 2 )
Ein Jahr ist er nun bei Gott gewesen, ein Jahr hat die Blume vergessen im
Fenster gestanden und ist verdorrt und wurde deshalb beim Umziehen im Kehricht
hinaus auf die Straße geworfen. Und dies ist die Blume, die arme
vertrocknete Blume, welche wir mit in unsern Blumenstrauß genommen haben,
denn diese Blume hat mehr erfreut als die reichste Blume im Garten einer
Königin!" "Aber woher weißt du das Alles?" fragte das
Kind, welches der Engel gen Himmel trug.
"Ich weiß es", sagte der Engel, "denn ich war selbst der
kleine kranke Junge, welcher auf Krücken ging meine Blume kenne ich
wohl!"
Das Kind öffnete seine Augen ganz und sah in des Engels herrliches, frohes
Antlitz hinein, und im selben Augenblick befanden sie sich in Gottes Himmel, wo
Freude und Glückseligkeit war. Gott drückte das tote Kind an sein
Herz und da bekam es Schwingen wie der andere Engel und flog Hand in Hand mit
ihm. Gott drückte alle Blumen an sein Herz, aber die arme verdorrte
Feldblume küsste er, und sie erhielt Stimme und sang mit allen Engeln,
welche Gott umschwebten, einige ganz nahe, andere um diese herum in
großen Kreisen und immer weiter fort, in das Unendliche, aber alle gleich
glücklich. Und alle sangen sie, klein und groß, samt dem guten,
gesegneten Kinde und der armen Feldblume, welche verdorrt dagelegen,
hingeworfen in den Kehricht des Umziehtages, in der schmalen, dunklen Gasse.
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