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Sonderbares
Gebet eines Pilgers
Tausend und eine Nacht, Gustav Weil, Seite 1 ( von 2 )
Man erzählt ferner: Zur Zeit der Pilgerfahrt rief einst ein Mann, an den
Vorhängen der heiligen Kaaba sich festklammernd: "O Gott, lass sie
doch wieder ihrem Manne zürnen, dass sie sich mir hingebe!" Als
einige Pilger dieses sonderbare Gebet hörten, ergriffen sie ihn,
durchprügelten ihn, führten ihn zum Emir der Pilger und sagten ihm,
was sie von diesem Manne an einem so heiligen Orte vernommen. Der Emir der
Pilger gab den Befehl, ihn zu hängen; aber der Angeklagte beschwor ihn bei
Muhammed, dem Abgesandten Gottes, er möchte doch zuerst sein
Erzählung anhören, dann nach Belieben mit ihm verfahren. Der Emir
gewährte ihm seine Bitte, und er sprach: Wisse, o Emir! ich bin ein Mann
von der niedrigsten Volksklasse, der sich oft mit Haschisch berauscht, mein
Geschäft war, dem Vieh die Haut abzuziehen, und blut und andern Schmutz
auf den dazu bestimmten Ort zu bringen. Eines Tages ging ich mit meinem
beladenen Esel über die Straße, da sah ich, wie alle Leute davon
liefen, und Einer derselben sagte mir: "Flüchte dich schnell in
dieses Gässchen, sonst bringt man dich um." Ich fragte, warum denn
alle Leute flöhen. Da antwortete mir der Diener eines vornehmen Herrn:
"Es kommt ein Harem, und die ihm vorangehenden Diener schlagen alle Leute,
um den Weg frei zu machen." Ich wollte, als ich dies hörte, mit
meinem Esel in eine Nebenstraße einlenken, da kamen die Diener, mit
großen Stöcken in den Händen, an der Spitze von ungefähr
dreißig Frauen, worunter eine einen Wuchs wie die Zweige des Ban, und die
Augen wie eine nach Wasser lechzende Gazelle hatte; diese ausgezeichnet
schöne und liebliche Frau war die Gebieterin aller übrigen, die sie
begleiteten. Ich blieb stehen und betrachtete sie von allen Seiten. Auf einmal
rief sie einen ihrer Diener zu sich und sagte ihm etwas in's Ohr. Sogleich lief
der Diener auf mich zu und nahm mich fest. Alle Leute liefen davon, nur ein
alter Mann nahm meinen Esel und führte ihn weg, während die Eunuchen
mich mit einem Stricke banden und mit sich schleppten.
Ich wusste gar nicht, was dies zu bedeuten habe, und alle Leute hinter mir
schrieen. "Das ist nicht erlaubt von Gott, mit einem armen Bettler, einem
elenden Haschischfresser, so umzugehen." Manche sagte zu den Eunuchen:
"Habt doch Mitleid mit ihm, Gott wird sich auch eurer erbarmen, und lasst
ihn doch los!" Ich dachte bei mir selbst: Gewiss hat die Dame den Schmutz
und Unrat, mit dem mein Esel beladen war, gerochen und will mich dafür
bestrafen lassen. Was kann ich tun? Es gibt keinen Schutz und keine Macht, als
bei Gott, dem Erhabenen!
Ich wurde nun von den Eunuchen mitgeschleppt, bis wir an die Pforte eines
großen Hauses kamen. Da traten sie hinein und führten mich in einen
großen Saal von unbeschreiblicher Schönheit; er war rein ausgekehrt
und frisch bespritzt, und mit kostbaren Matten und Polstern bedeckt. Die
Gebieterin und ihr Gefolge zog an mir vorüber, und ich blieb allein mit
den Eunuchen zurück und dachte: Man hat mich gewiss hereingebracht, um
mich hier mit dem Tode zu bestrafen, ohne dass Jemand nur meinen Tod erfahre.
Aber statt dessen führten mich nun die Eunuchen in das Badzimmer, welches
an den Saal stieß, und drei Sklavinnen kamen, hießen mich sitzen,
und die Eine rieb mir die Füße, die andere wusch mir den Kopf und
die Dritte trocknete mich ab. Als dies geschehen war, gaben sie mir ein
Bündel Weißzeug und Kleider, und hießen mich sie anziehen. Ich
sagte: "Bei Gott! ich weiß nicht, wie man solche Kleider
anzieht." Sie näherten sich mir lachend und kleideten mich an,
bespritzen mich mit Rosenwasser und führten mich wieder in einen herrlich
verzierten und mit Diwanen belegten Saal. Hier saß eine Dame, von vielen
Sklavinnen umgeben, die, sobald ich in den Saal trat, vor mir aufstand und mich
hieß, neben ihr Platz zu nehmen. Kaum hatte ich mich gesetzt, als die
Sklavinnen auf ihren Befehl die verschiedenartigsten, schmackhaftesten Speisen
auftrugen, dergleichen ich in meinem Leben nicht gekostet hatte und deren Namen
ich nicht einmal kannte.
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