|
Sonderbares
Gebet eines Pilgers
Tausend und eine Nacht, Gustav Weil, Seite 2 ( von 2 )
Nachdem ich mich sattgegessen hatte, wurden die Schüsseln weggetragen, und
man brachte mir Wasser, um meine Hände zu waschen. Die Dame ließ
dann allerlei Nachtisch bringen und hieß mich davon zu essen. Als auch
dies geschehen war, befahl sie einigen Sklavinnen, Wein und
Trinkgefäße herbeizuschaffen, sowie auch allerlei feines
Räucherwerk. Ein Mädchen, wie der Mond schenkte uns ein, und ich und
die Dame wir tranken so lange beim Klange des Saitenspiels, bis wir berauscht
waren. Dies Alles geschah, o Emir, und ich glaubte immer nur zu träumen.
Auf ihren Wink entfernten sich dann die Sklavinnen; sie umarmte mich und
drückte mich an ihren Busen, und ich sog den feinsten Moschusduft aus
ihren Lippen und glaubte nicht anders, als entweder ich sei im Paradies, oder
ich träume. Des Morgens fragte sie mich nach meiner Wohnung, gab mir ein
goldgesticktes Taschentuch, in welches Etwas eingebunden war, und sagte mir:
"Geh' damit ins Bad." Ich ging freudig fort und dachte: Ist Geld in
diesem Tuche, so kann ich dafür zu Mittag essen; doch ging ich so ungern
von ihr fort, als hätte ich das Paradies verlassen müssen, und begab
mich in meine Wohnung, öffnete das Tuch, welches sie mir geschenkt hatte,
und fand fünfzig Goldstücke darin, die ich sogleich begrub. Nach
Mittag, als ich in Gedanken vertieft vor meiner Türe saß, kam auf
einmal eine Sklavin zu mir und sagte: "Meine Gebieterin verlangt nach
dir."
Ich folgte der Sklavin bis zur Türe ihres Hauses, bat um Erlaubnis,
hineinzutreten, und küsste die Erde vor der Dame. Sie hieß mich
wieder sitzen, ließ Speisen und Wein bringen, und ich brachte wieder
diese Nacht wie die vorhergehende bei ihr zu. Des Morgens schenkte sie mir
wieder ein Tuch, in welches fünfzig Goldstücke eingebunden waren, mit
denen ich wieder in meine Wohnung ging, wo ich sie begrub. So ging es acht Tage
lang, ich wurde jeden Nachmittag geholt und blieb bis Morgens bei meiner Dame.
Aber am achten Tage, als ich bei ihr war, kam auf einmal eine Sklavin
herbeigelaufen, die mich schnell in ein Nebenzimmer hineinstieß. Dieses
Zimmerchen hatte ein Fenster, das auf die Straße ging; ich hörte
Geräusche von Dienern und Pferdetritten, und ich sah vom Fensterchen aus
einen jungen Mann wie der Vollmond, von vielen Mamluken begleitet, der vor der
Haustüre abstieg, dann in den Saal trat, vor der Dame sich verbeugte und
ihre Hand küsste. Sie schwieg lange, und es kostete ihm viele Mühe
und Demütigung, bis sie sich mit ihm versöhnte und einwilligte, die
Nacht bei ihm zuzubringen. "Des Morgens, als er wieder mit seinen Leuten
ausgeritten war, kam die Dame zu mir und fragte mich: "Hast du
gesehen?" Ich antwortete: "Ja wohl." Nun sagte sie: "Dieser
Mann ist mein Gatte; ich will dir erzählen, was zwischen uns vorgefallen.
Eines Tages waren wir zusammen im Garten neben unserm Hause. Auf einmal stand
er von meiner Seite auf und blieb sehr lange weg. Da folgte ich unbemerkt, um
nach ihm zu sehen; als ich an der Küche vorüberkam, fragte ich eine
meiner Sklavinnen nach ihm; sie zeigte mir ein kleines Kabinett; hier fand ich
ihn in den Armen einer Sklavin. Als ich dies sah, schwur ich einen heiligen
Eid, auch einen Mann von der niedersten Klasse zu umarmen. Ich durchzog daher
drei Tage lang alle Straßen der Stadt, um einen solchen Mann zu finden;
erst am vierten Tage begegnete ich dir, und fand dich so erbärmlich und so
schmutzig, dass ich meinen Eunuchen befahl, dich mitzunehmen. Was nun zwischen
uns geschehen ist, war Gottes Beschluss. Nun ist mein Eid gelöst, und ich
werde dich nicht eher wieder rufen lassen, bis mein Mann sich wieder einer
Sklavin nähert und mir untreu wird." Hierauf entließ sie mich,
nachdem ich vierhundert Goldstücke aus ihrem Hause fortgetragen, von denen
ich schon einen großen Teil ausgegeben. Darum kam ich hierher und betete
zu Gott, der Mann möchte doch seine Sklavin wieder besuchen, damit ich
seine Gattin wiedersehe." Als der Emir der Pilger diese Geschichte
hörte, ließ er den Angeklagten frei und erklärte ihn für
unschuldig in Gegenwart aller seiner Ankläger.
|
|