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Lohn
des auf Gott Vertrauenden
Tausend und eine Nacht, Gustav Weil, Seite 1 ( von 2 )
Ferner wird erzählt: Einst lebte unter den Söhnen Israels ein sehr
frommer, reicher Mann, der auch einen sehr tugendhaften Sohn hatte. Als der
Vater dem Tode nahe war, setzte sich sein Sohn ihm zu Häupten und bat ihn,
ihm seinen letzten Willen kund zu tun. Der Vater sagte: "Schwöre nie
bei Gott, weder einen wahren, noch einen falschen Eid." Bald nach des
Vaters Tode kam Einer von den Söhnen Israels zu dem Manne und sagte:
"Dein Vater war mir so und so viel Geld schuldig, und du weißt wohl
davon, gib mir also das Geld oder schwöre, dass du Nichts davon
weißt." Da der Mann sich des letzten Willens seines Vaters
erinnerte, gab er ihm, was er begehrte, um nur keinen Eid zu schwören.
Nach diesem kamen dann noch viele Andere mit falschen Forderungen, bis der Mann
endlich sein ganzes Vermögen hergegeben hatte. Als ihm Nichts mehr
übrig blieb, sagte er zu seiner gottesfürchtigen Frau, die ihm zwei
Söhne geboren hatte: "Da ich nun Alles weggegeben habe, was ich
besaß, und wenn wieder Jemand mich einer Schuld anklagt, ich gezwungen
wäre, zu schwören, so lass uns unsere Heimat verlassen und in ein
Land reisen, wo uns Niemand kennt." Er bestieg daher mit seiner Frau und
seinen zwei Kindern das erste beste Schiff, ohne eigentlich zu wissen, wohin er
wollte.
Aber bald wurde das Schiff zerschmettert, der Mann rettete sich auf einem
Brette, die Frau auf einem andern. Die Wellen ließen sie nicht lange
beisammen. Die Frau wurde an's Land gestoßen in ein kleines Dorf, einer
ihrer Söhne in ein entlegenes Städtchen, der andere wurde von einem
vorübersegelnden Schiff aufgenommen, den Vater aber stießen die
Wellen auf eine entfernte Insel. Sobald er dort angelangt, wusch er sich im
Meer und betete; da sah er verschiedenartige Gestalten aus dem Meere steigen,
die mit ihm beteten. Nach vollendetem Gebet ging er auf einen Baum zu
sättigen sich an dessen Früchten. Dann fand er auch eine
Wasserquelle, an welcher er auch seinen Durst löschen konnte, wofür
er Gott dankte. So lebte er drei Tage lang, und so oft er betete, beteten
Gestalten, die dem Meer entstiegen, mit ihm. Am vierten Tag hörte er eine
Stimme, die ihm zurief: "O frommer Mann, der seinen Herrn verehrt und den
Willen seines Vaters achtet, betrübe dich nicht! Gott wird dir Alles
wieder ersetzen, was du verloren hast; auf dieser Insel sind unermessliche
Schätze verborgen, die dir der Herr schenken will, und durch dich soll
diese Insel angebaut und bewohnt werden; ich werde viele Schiffe zu dir hierher
senden, sei gütig gegen die Leute, die darauf sind, und lade sie ein, bei
dir zu bleiben, Gott wird ihre Herzen dir zuneigen." Der Mann fand bald
die Schätze, die ihm Gott versprochen hatte, bald kamen auch mehrere
Schiffe auf die Insel, und da er sehr wohltätig und zuvorkommend gegen die
Leute war und sich sehr angelegentlich nach den Armen und Bedürftigen
erkundigte und sie unterstützte, so kamen immer mehr Auswanderer herbei
von allen Ländern her, und nach kaum zehn Jahren war die Insel angebaut
und hatte eine sehr ansehnliche Bevölkerung, die den frommen Juden zum
König erwählten. Der neue König wurde bald allenthalben wegen
seiner außerordentlichen Wohltätigkeit berühmt, so dass sein
ältester Sohn, den ein guter Mann aufgenommen hatte und sehr
sorgfältig ausbilden und erziehen ließ, auch von ihm hörte und
zu ihm reiste, ohne zu wissen, dass er sein Vater war. Der König nahm ihn
sehr gut auf und machte ihn bald zu seinem Geheimsekretär. Bald darauf
hörte auch der jüngere Sohn, der ebenfalls einen guten Erzieher
gefunden hatte und ein tüchtiger Kaufmann wurde, von diesem frommen und
gerechten König, und begab sich auch zu ihm und ward bald zum Verwalter
der königlichen Güter ernannt. Nicht lange nachher kam auch der
Kaufmann auf die Insel, welcher des Königs Frau bei sich aufgenommen und
ihr versprochen hatte, sie nie zu verlassen und ihr stets Alles zu bieten, dass
sie ungestört der Gottesverehrung leben könne.
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