|
Lohn
des auf Gott Vertrauenden
Tausend und eine Nacht, Gustav Weil, Seite 2 ( von 2 )
Als der Kaufmann mit der Frau vor der Insel Anker geworfen hatte, nahm er
allerlei kostbare Kleidungsstücke und andere edle Erzeugnisse des festen
Landes zu sich und ging damit zum König, um sie ihm als Geschenk
anzubieten. Der König freute sich sehr damit und machte ihm herrliche
Gegengeschenke. Da unter den Geschenken des Kaufmanns einige Wurzeln und
Medikamente waren, deren Namen und Gebrauch der König kennen wollte, bat
er den Kaufmann, bei ihm zu übernachten und ihm Alles zu erklären.
Aber der Kaufmann erwiderte: "O König, ich habe auf dem Schiff eine
fromme Frau, deren Gebet mir Segen bringt und der ich beständigen Schutz
versprochen habe; ich kann sie nicht allein auf dem Schiffe lassen. Der
König sagte: "Ich will zuverlässige Männer zu ihr schicken,
die sie und das Ihrige bewachen und beschützen werden. Da der Kaufmann
Nichts hierauf zu entgegnen hatte, willigte er ein, bei dem König zu
bleiben und dieser schickte seinen Sekretär und seinen Verwalter auf das
Schiff und befahl ihnen, es die ganze Nacht zu bewachen. Sie gingen auf das
Schiff, der Eine setzte sich auf das Vorderteil und der Andere auf den
Hinterteil desselben. Nachdem sie einen Teil der Nacht mit Beten zugebracht
hatten, sagte Einer zum Andern: "Da uns der König befohlen hat, das
Schiff zu bewachen, so wollen wir, um nicht einzuschlafen, uns mit einander von
den Weltbegebenheiten oder von unsern eigenen Abenteuern und Erfahrungen
unterhalten." Da erwiderte der Andere: "Ich habe schon viel erfahren,
denn das Schicksal hat mich von meinem Vater und meiner Mutter getrennt, auch
hatte ich einen Bruder, der so hieß wie du; wir waren auf einem Schiffe
beisammen, das der Sturm zerschmetterte, und so wurden wir von einander
getrennt." Als der Erste dies hörte, fragte er nach dem Namen seiner
Mutter und seines Vaters, und als Jener sie nannte, warf er sich ihm in die
Arme und sagte: "Bei Gott, du bist mein Bruder!" Sie erzählten
dann einander noch Vieles, was ihnen in der Jugend widerfahren, und ihre Mutter
hörte Alles, aber sie nahm sich zusammen und verriet sich nicht. Als der
Morgen leuchtete, sagte ein Bruder zum andern: "Lass uns jetzt nach Hause
gehen und zu Hause weiter plaudern." Bald nachher kam der Kaufmann wieder
und fand seine Frau sehr angegriffen. Er fragte sie, was ihr zugestoßen.
Sie antwortete: "Du hast mir diese Nacht zwei Männer geschickt, die
von mir etwas Schlechtes wollten, so das ich sehr aufgebracht gegen sie
bin." Der Kaufmann ging ganz zornig zum König und erzählte ihm,
wie sich seine Vertrauten gegen die Frau benommen. Der König, der sie
wegen ihrer Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit sehr liebte, ließ sie
sogleich rufen: auch nach der Frau schickte er, damit sie erkläre, was die
Männer verschuldet haben. als die Frau erschien, sagte ihr der König:
"Was hast du Schlechtes von meinen Vertrauten gesehen?" Die Frau
sagte: "O König, ich beschwöre dich bei dem allmächtigen
Gott, bei dem Herrn des Himmels! befiel ihnen, das Gespräch zu
wiederholen, das sie diese Nacht miteinander geführt." Auf dem Befehl
des Königs erzählten sie wieder einander die Geschichte ihrer
Trennung. Da stand der König von Throne auf, fiel über sie her,
umarmte sie und schrie: "Bei Gott, ihr seid meine Söhne!"
Hierauf nahm die Frau ihren Schleier vom Gesicht und rief: "Und ich, bei
gott, bin ihre mutter!" So blieben sie denn beisammen und lebten in
Glück und Freude, bis sie der Tod erreichte. Gepriesen sei der, welcher
den Diener rettet, der sich zu ihm wendet, und Den nie beschämt, der auf
ihn sein Vertrauen setzt.
|
|