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Geschichte
des wilden Esels mit dem Fuchse
Tausend und eine Nacht, Gustav Weil, Seite 1 ( von 1 )
Man erzählt, o König! Einst lebte ein Fuchs, der jeden Tag seine
Höhle verließ, um sich seine Nahrung zu verschaffen. Eines Tages,
als er wie gewöhnlich auf's Gebirge ging, traf er einen andern Fuchs, und
sie erzählten einander, was sie auf ihrem Raubzuge gefangen. Da sagte der
Eine: "Ich traf gestern einen toten wilden Esel, und da ich sehr hungrig
war, - denn ich hatte in drei Tagen fast gar Nichts gegessen - freute ich mich
sehr darüber und dankte Gott, der ihn mir beschert. Ich habe mich an
dessen Herz so satt gegessen, dass ich seit drei Tagen nicht hungre." Als
der andre Fuchs dies hörte, beneidete er ihn und dachte bei sich: Ich muss
doch auch einmal ein Eselherz essen, um so satt zu werden. Er ging so lange mit
diesem Gedanken um, bis er ganz mager ward und erschöpft in seiner
Höhle lag. Am diesem Tage gingen Jäger auf die Jagd und konnten den
ganzen Tag Nichts schießen, bis sie endlich einen wilden Esel trafen.
Einer von ihnen schoss mit einem Pfeile nach ihm, der im Herzen stecken blieb,
worauf der wilde Esel leblos vor die Höhle des Fuchses hinfiel. Die
Jäger wollten dem Esel den Pfeil aus dem Herzen ziehen, aber nur das Holz
ging heraus, die eiserne Spitze blieb darin stecken.
Als der Fuchs das Geräusch vor seiner Türe hörte, verbarg er
sich bis Nachts, wo die Jäger wieder fort waren. Jetzt kam er langsam aus
seiner Höhle hervor, denn er konnte vor Schwäche nicht mehr schnell
gehen, und freute sich sehr, als er einen toten Esel vor der Türe fand,
und dankte Gott, der ihm so seinen Wunsch ohne Mühe erfüllte. Er ging
heißhungrig darauf los, riss ihm den Leib auf und wühlte mit seinem
Rachen umher, bis er das Herz fand. Aber die Spitze des Pfeils blieb ihm im
Halse stecken und brachte ihm den Tode nahe; da klagte und jammerte er:
"Mir geschieht es recht; kein Geschöpf soll mehr verlangen, als ihm
Gott zugeteilt - ich wäre jetzt nicht in solcher Not, wenn ich mich mit
Gottes Gabe begnügt hätte." - "So, o König, wagten
auch wir Nichts mehr von Gott zu fordern, aber er hat dich doch mit einem Erben
beglückt, dem er ein langes Leben schenken und den er deinen Pfad betreten
lassen möge!" Dann sprach der vierte Vezier: "Wenn ein
König weise ist und versteht, beglückend über seine Untertanen
zu herrschen, wenn er sich zum Guten wendet und das Böse meidet, wenn er
die Abgaben seines Volkes erleichtert, ihr Blut schont und ihre Schwäche
deckt, so wird dadurch sein Reich immer mehr befestigt, er wird stets gegen
seine Feinde siegen und durch Gottes Huld Alles erlangen, wonach er strebt. Ein
gewalttätiger Regent aber wird sich und seine Untertanen in's Verderben
stürzen, und es wird ihm gehen, wie dem König mit dem
Reisenden." Der König fragte, was das für eine Geschichte
wäre? Da erzählte der Vezier :
Geschichte des
Königs und des Wanderers
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