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Geschichte
des Raben und der Schlange
Tausend und eine Nacht, Gustav Weil, Seite 1 ( von 1 )
Wisse, o König! erzählte der zweite Vezier: Einst wohnte ein Rabe mit
seinem Weibchen auf einem Baume. als die Zeit kam, wo sie Junge
ausbrüteten - es war im Sommer - da kroch eine Schlange aus ihrer
Höhle hervor, hing sich an die Wurzel des Baumes fest, schlich hinauf, bis
sie zu dem Neste des Raben gelangte, legte sich hinein und brachte den ganzen
Sommer darin zu. Der Rabe wartete, bis sie nach der heißen Jahreszeit das
Nest wieder verließ, und ging dann wieder hinein mit seinem Weibchen und
sagte zu diesem: "Lass uns Gott danken, der er uns von diesem Über
befreit, und haben wir auch diese Jahr keine Jungen ausbrüten können,
so hören wir doch nicht auf, auf Gott, unsern Schöpfer, zu vertrauen,
und danken wir ihm, dass er uns gesund und wohl wieder hierher
zurückkehren ließ. Wir müssen uns eben in seinem Willen
fügen, vielleicht werden wir das nächste Jahr uns an unsern Jungen
freuen." Als aber die Zeit kam, wo sie wieder Eier legten, kam die
Schlange wieder aus ihrer Höhle, und wollte wieder auf den Baum kriechen
und in das Nest des Raben schleichen. Da ließ sich aber ein Raubvogel vom
Himmel herunter, biss sie in den Kopf, dass sie ohnmächtig zu Boden fiel
und die Ameisen sich um ihre Wunde sammelten und sie auffraßen. Der Rabe
lebte nun in Ruhe mit seinem Weibchen, das ungestört seine Eier
ausbrütete und den Schöpfer pries. - "So wollen auch wir Gott
danken, dass er dich mit einem Sohne gesegnet, und beten, dass er Alles zu
einem glücklichen Ende führe!" Der dritte Vezier begann hierauf:
"Freue dich, o König, mit der Wohltat des Himmels, der dir eben so
hold ist, wie allen Menschen, die in deinem Reiche leben. Alles, was der Mensch
hat, kommt ihm ja von Gott, der Jeden nach Willen beschenkt: den Einen mit
Wohlstand und Kindern, den Andern mit Vernunft und Verstand; er erhebt und
erniedrigt, macht reich oder arm, und für Alles muss man ihm danken. Aber
du, o König! gehörst zu den Glücklichen in diesem Leben, und
wirst es auch einst jenseits werden. Doch jeder muss mit seinem Lose zufrieden
sein, und wer sich nicht begnügt mit dem, was er hat, dem geht es wie dem
wilden Esel mit dem Fuchse." Der König fragte: "Was ist das
für eine Geschichte?" Der Vezier antwortete:
Geschichte des wilden
Esels mit dem Fuchse
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