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Geschichte
des Hirten und der Diebe
Tausend und eine Nacht, Gustav Weil, Seite 1 ( von 2 )
Ein Hirt war einst mit seinen Schafen auf der Weide und wachte über sie,
dass ihm keines gestohlen werde. Eines Nachts kam ein Dieb in der Absicht, ein
Schaf zu stehlen; er fand aber den Hirten so wachsam bei Tag und bei Nacht,
dass er kein Mittel sah, seinen Zweck zu erreichen. Nachdem er lange sich
vergebens bemüht hatte, nahm er eine Löwenhaut, stopfte sie mit Stroh
aus und stellte sie auf einen Hügel, so dass der Hirt sie sehen konnte. Er
ging dann zum Hirten und sagte ihm: "Ein Löwe fordert sein Nachtessen
von dir." - "Wo ist ein Löwe?" fragte der Hirt. "Dort
auf dem Hügel," antwortete der Dieb. Der Hirt blickte hin und sah das
ausgestopfte Fell, das er für einen Löwen hielt, und fürchtete
sich so sehr, dass er dem Diebe sagte: "Nimm von meiner Herde, was du
willst." Der Dieb nahm, was ihm beliebte, und dachte bei sich: nun bin ich
meiner Beute gewiss, und so oft er nach Schafen gelüstete, holte er die
Löwenhaut und erschreckte den Hirten damit, bis er ihm nach und nach alle
seine Schafe abgelockt hatte.
Die Geliebte des Königs sprach dann weiter: "Dies erzähle ich
dir, o König, damit du dich ja nicht weich finden lassest, und diese
Mensche ihren Zweck erreichen: der Tod ist ihnen viel näher, als das sie
dir ein Übel zuzufügen im Stande wären." Der König
horchte auf diese Rede und gab ihr seinen Beifall. Am folgenden Morgen kamen
alle Bewohner der Residenz bewaffnet vor das Tor des Schlosses und forderten
den Pförtner auf, zu öffnen. Als dieser sich weigerte, holten sie
Feuer herbei, um das Tor zu verbrennen. Der Pförtner berichtete dem
König, was sich zugetragen und fragte ihn, was er tun solle. Als sich der
König in so großer Gefahr sah, ließ er seine Geliebte rufen
und sagte ihr: "Hat mir nicht Schimas die Wahrheit prophezeit? Nun hat
sich das Volk zusammengerottet, und man will mich umbringen." Die Geliebte
erwiderte: "Fürchte Nichts, o König, Gott wird dir beistehen,
lass nur deine Veziere und die Gelehrten und Häupter des Volkes und der
Truppen umbringen, du hast dann von den Übrigen Nichts mehr zu
fürchten, Niemand wird sich mehr deinem Willen widersetzen, noch deine
Ruhe stören." Der König sagte ihr: "Du hast Recht,"
ließ sich schnell seinen Turban geben und schickte nach Schimas. Als er
kam, sagte er ihm: "Du weißt, dass ich dich liebe, denn du bist mein
Bruder und Vater seit meines Vaters Tode, auch befolge ich deinen Rat und zeige
mich meinen Leuten; entschuldige mich nur jetzt bei ihnen und stelle die
Eintracht wieder her; ich wollte eben zu ihnen herauskommen, als diese
Gewalttätigkeiten stattfanden; doch ich entschuldige sie, und morgen werde
ich in Allem ihren Wünschen willfahren." Schimas verbeugte sich vor
dem König, küsste ihm Hände und Füße, ging dann
freudig zum Volke hinaus, verkündete ihm, was der König versprochen,
und hielt es von seinem gewalttätigem Vorhaben ab. Man löschte das
Feuer aus, und Jeder ging nach Hause. Der König wendete sich hierauf zu
den zehn ältesten und stärksten Sklaven seines Vaters und sagte
ihnen: "Ihr wisset, wie ihr bei meinem Vater sowohl, als nach dessen Tode
bei mir so gut und hoch gehalten waret; nun frage ich euch, ob ihr auch Etwas
für mich tun wollt?" Die Sklaven antworteten: "Befiehl nur, o
Herr! wir sind deine Sklaven und breit, Alles für dich zu tun." Da
sagte der König: "Ihr wisset, was die Bewohner dieser Stadt meinem
Vater geschworen, und nun haben sie die Treue gebrochen und meinen Tod
beschlossen. Ich muss daher, um das Übel auszurotten, seine Anführer
und Gelehrten ums Leben bringen, und zwar auf folgende Weise: ich lasse Einen
nach dem Andern vor mir erscheinen; sobald er aber hereinkommt, führt ihr
ihn in das Nebenzimmer und bringt ihn um. " Da die Sklaven Gehorsam
versprachen, setzte sich der König am folgenden Morgen auf den Thron mit
dem Richterbuche in der Hand, und ließ die Tore öffnen und alle
Veziere, Gelehrten und Häupter des Volks einen nach dem andern vor sich
kommen und von den Sklaven aus dem Wege räumen.
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