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Geschichte
des Falken und der Raben
Tausend und eine Nacht, Gustav Weil, Seite 1 ( von 1 )
Wisse, o König! erzählte der Vezier: Es lebte einst in einem weiten
Tale, das reich an Früchten, Flüssen und Brunnen war, viele
Vögel, welche den Schöpfer des Tags und der Nacht priesen. Die
meisten dieser Vögel waren Raben, die in Frieden und Sicherheit unter
einem von ihrem Geschlechte lebten, der die Obergewalt mit vieler Milde und
Güte handhabte und sie gegen die größten Raubvögel
beschützte. Groß war daher die Trauer der Vögel, als ihr
Anführer starb. sie versammelten sich, um einen Nachfolger zu wählen,
aber es entstand ein großer Zwist unter ihnen, weil Manche wieder einen
Raben wählen wollten, Andere aber nicht. Endlich kamen die Obersten der
Vögel dahin überein, dass alle Vögel einen Tag fasten und am
folgenden Morgen bei Sonnenaufgang zu gleicher Zeit in die Höhe fliegen
sollten: wer dann am höchsten flöge, der sollte König werden.
Dies geschah am folgenden Tage, und nach langem Wettfluge sahen die Vögel
in die Höhe und fanden einen Falken über sie alle hervorragen. Dieser
ward nun einstimmig zum König gewählt; er übernahm gern die
Regierung und versprach, seine Untertanen noch besser als sein Vorfahre zu
behandeln. Aber bald nach seinem Regierungsantritte flog er jeden Tag mit einer
Abteilung Vögel nach einer Höhle, fraß dort ihre Augen und ihr
Gehirn, und warf ihren Körper in's Wasser. Die Vögel merkten bald,
dass ihre Zahl jeden Tag geringer ward; sie gingen daher zum Falken und sagten:
O König! wir wissen nicht, wie es zugeht, dass wir seit deinem
Regierungsantritt uns jeden Tag vermindern, und besonders vermissen wir solche
Vögel, die als deine Diener dich umgeben." Der Falke erwiderte
zürnend: "Gewiss bringt ihr die Vögel aus meinem Gefolge um's
Leben, und jetzt fordert ihr sie von mir." Er sprang dann auf sie los,
nahm zehn ihrer Häupter gefangen, drohte ihnen mit dem Tod und ließ
sie im Angesicht aller Vögel prügeln. Nun bereuten die Vögel,
was sie getan, und sagten: "Wir wussten wohl, dass es uns nach dem Tod
unseres ersten Königs schlecht gehen würde, aber wir verdienen es um
so mehr, weil wir einen Fremden über uns gesetzt; mit Recht sagt das
Sprichwort: Wer nicht von den Seinigen regiert sein will, der wird vom Feinde
tyrannisiert; nun bleibt uns Nichts übrig, als uns zu zerstreuen und in
fernen Gegenden einen Zufluchtsort zu finden. - "So, o König!
fürchteten auch wir, es möchte ein gottloser Mann einst unser
König werden; nun hat aber Gott dich mit einem Sohne gesegnet, von dem wir
nur Heil erwarten." Dann sprach der sechste Vezier: Du hast gehört, o
König! wie es den Vögeln mit dem Falken ergangen und wie auch wir ein
ähnliches Los befürchteten. Nun müssen wir nur noch zu Gott
beten, dass er deinem Sohne ein langes Leben schenke. Zwar kann der Mensch nie
im voraus wissen, ob das, was er wünscht, ihm frommt oder nicht, und es
könnte Manchem durch vermessene Wünsche gehen, wie dem
Schlangenbeschwörer und seiner Frau und seinen Kindern." Der
König fragte: "Wie ging es diesen?" Da erzählte der Vezier:
Geschichte des
Schlangenbeschwörers und seiner Frau und Kinder
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