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Geschichte
der Katze mit der Maus
Tausend und eine Nacht, Gustav Weil, Seite 2 ( von 2 )
Ist das mein Lohn dafür, dass ich dich in meine Höhle hereingelassen
und dir mein Leben anvertraut? Mit Recht sagt man: Wer dem Versprechen seines
Feindes traut, der ist seines Lebens nicht mehr sicher und verdient den Tod;
doch ich vertraue auf Gott, der wird mich retten." Während die Maus
so zur Katze sprach, welche damit umging, sie zu zerreißen, kam ein
Jäger mit Fanghunden herbei; einer derselben hörte das Geräusch
in der Höhle, sprang munter heran in der Meinung, es sei ein Fuchs, der
etwas zerreißen wollte, packte die Katze von hinten, und zog sie heraus
und zerriss sie in Stücken. Die Maus aber kam ohne schwere Wunde davon,
denn die Katze hatte sie in ihrem Schrecken losgelassen, und so bestätigte
sich hier: Wer Mitleid hat, der wird auch (von Gott) bemitleidet; wer unrecht
handelt, dem geschieht auch Unrecht.
"Das ist's, o König, was dieser Katze geschehen, darum soll Niemand
sein Wort brechen und das ihm geschenkte Vertrauen missbrauchen, sonst geht es
ihm auch so; wer aber Gute übt, dem wird reicher Lohn. Doch betrübe
dich nicht, o König, dein Sohn wird später wieder deinen Pfad wandeln
und Buße tun. Dein gelehrter Vezier fürchtet sich aber, dir dies zu
offenbaren, weil schon Mancher durch seine Gelehrsamkeit sich große
Gefahr zugezogen." Der König entließ die Traumdeuter hierauf
gnädigst, ging nachdenkend in seine Wohnung und brachte die Nacht bei der
geliebtesten und geachtetsten seiner Frauen zu. Nach einigen Monaten, als sie
die Merkmale der Schwanferschaft an sich wahrnahm, lief sie freudig zum
König, um es ihm zu melden. Dieser rief höchst entzückt aus:
"So war mein Traum doch wahr! Gott wird mir auch ferner in Allem
beistehen." Er erwies von nun an seiner Frau viele Ehre und ließ ihr
das schönste und beste Zimmer im Schlosse einräumen. Sobald Schimas
ins Schloss kam, teilte ihm der König seine Hoffnung, bald Vater zu
werden, mit und sagte: "Nun sind meine Wünsche erfüllt; ich
hoffe, meine Frau wird einen Sohn gebären, der meinen Thron erben kann.
Was sagst du dazu, Schimas? Schimas schwieg und antwortete Nichts. Da sagte der
König: "Warum freust du dich nicht mit mir? Warum schweigst du? Ist
dir das nicht angenehm?" Schimas verbeugte sich und sagte:
"Mögest du lange leben, o König; warum sollte der in der
Mittagshitze unter einem schattigen Baume Ausruhen, oder der Lechzende, welcher
am klaren Wein oder frischem Quellwasser sich labt, sich nicht freuen? Noch
größer, o König, ist meine Freude mit dem, was dir Gott
geschenkt, bin ich doch ein Diener Gottes und dein Diener. Doch sagt man: Von
drei Dingen darf ein Verständiger nicht zu früh sprechen: von einem
auf die Reise gehenden Kaufmann, bis er zurückkehrt; von einem in den
Krieg Ziehenden, bis er seinen Feind überwunden, und von einer
Schwangeren, bis sie ihr Kind geboren; denn wisse, o König, wer von Etwas
spricht, ehe es da ist, dem geht es wie dem Einsiedler mit dem
verschütteten Schmalze." Der König fragte: "Was ist das
für eine Geschichte?" da begann Schimas:
Geschichte des
Einsiedlers mit dem Schmalze
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