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Die
tugendhafte Frau eines israelitischen Richters
Tausend und eine Nacht, Gustav Weil, Seite 2 ( von 2 )
Der Gauner endlich begab sich auch zur Hütte, um sich heilen zu lassen,
und so trafen Alle zusammen vor der Türe ihrer Hütte; sie konnten
Alle sehen, ohne von ihnen gesehen zu werden, und sobald sie an die Türe
kam, erkannte sie ihren Gatten, dessen Bruder, den Gauner und die ungerechte
Frau, und sagte ihnen: "Hoffet nicht, geheilt zu werden von mir, wenn ihr
nicht zuerst alle eure Sünden bekennt, denn Gott verzeiht nur Dem, der
seine Sünden nicht verhehlt, und gewährt nur einem Solchen, was er
begehrt. Da sagte der Kadhi zu seinem Bruder: "Bekehre dich zu Gott und
beharre nicht im Übel, nur so wirst du gerettet." Der Kadhi ermahnte
dann seinen Bruder noch durch folgende Verse:
"Ein Tag wird kommen, wo Unterdrückte und Unterdrücker einander
gegenüber stehen, und wo Gott die verborgensten Geheimnisse offenbaren
wird. An jenem Orte werden die Sünder gedemütigt werden, während
Gott Die erheben wird, die ihm gehorsam waren. Wehe Denen, die den Herrn
erzürnen, als wüssten sie von Gottes Strafe Nichts. Da hört alle
Täuschung auf und bleibt Nichts, als Ergebung in Gottes Willen."
Der Bruder des Kadhis sagte: "Ich will mein Verbrechen bekennen," und
gestand sein Unrecht gegen seine Gattin. Dann sagte die Mutter des
geschlachteten Kindes: "Auch ich will meine Sünden bekennen,"
und erzählte, wie sie ungerechterweise eine Frau geschlagen und fortgejagt
hatte. "Und ich," sagte endlich der Gauner, wollte einer Frau den
Hals abschneiden, weil sie meiner Leidenschaft Widerstand leistete, und
schlachtete statt ihrer ein Kind, das bei ihr lag: das ist mein
Verbrechen." Als die Frau des Kadhis diese Geständnisse hörte,
rief sie aus: "O Gott, wie du siehst, haben die Sünder sich
gedemütigt, lass ihnen nun den Lohn des Gehorsams werden, du bist ja
mächtig über Alles." Gott erhörte ihr Gebet und heilte sie
Alle. Sodann gab sie sich zu erkennen, und der Kadhi dankte Gott, dass er ihn
wieder mit ihr vereint. Sein Bruder aber, der Gauner und die Mutter des Kindes
baten sie um Verzeihung; sie verzieh ihnen, und Alle blieben nun beisammen und
lebten der Gottesverehrung, bis der Tod sie trennte.
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