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Die Frau mit den Bären

Tausend und eine Nacht, Gustav Weil, Seite 1 ( von 2 )

Ferner wird erzählt: Zur Zeit der Regierung Hakems in Ägypten lebte in Kahirah ein Metzger, Namens Wardan. Jeden Tag kam eine Frau zu ihm mit einem Dinar, der so schwer war als dritthalb gewöhnliche ägyptische Dinare, kaufte dafür Hammelfleisch und ließ es von einem Lastträger in einem Korbe forttragen. Als dies lange so fortdauerte, fing Wardan an, über den regelmäßigen Besuch und das eigene Geld dieser Frau zu erstaunen. Er fragte daher einst in der Abwesenheit der Frau den Träger, der jeden Tag mit ihr ging, wohin er das Fleisch trage. Der Träger antwortete: "Mir selbst ist diese Frau ganz unbegreiflich; jeden Tag beladet sie mich hier bei dir mit Fleisch, dann kauft sie verschiedene andere Speisen ein: frische und dürre Früchte, Lichter, Wein u.s.w., und lässt mich Alles in die Nähe der Gärten des Veziers tragen. Dort angelangt, bindet sie mir die Augen zu, so dass ich nicht weiß, wohin ich meinen Fuß stelle, führt mich eine Strecke weit an der Hand, dann sagt sie mir: "Lege hier ab!" Ich lege nun alles Eingekaufte in einen Korb, der ihr gehört, und sie führt mich wieder mit meinem leeren Korb an der Hand bis an die Stelle, wo sie mir die Augen zugebunden. Hier nimmt sie mir meine Augenbinde herunter und gibt mir zehn Drachmen. Als Wardan dies hörte, sagte er: "Gott stehe dir bei! Das macht mich noch neugieriger." Ich dachte nun (so erzählt er selbst) die ganze Nacht sehr unruhig über diese Frau nach, und als sie am folgenden Morgen wie gewöhnlich wiederkam und Fleisch kaufte und mit dem Träger wegging, überließ ich meinen Laden dem Jungen und folgte ihr, ohne von ihr bemerkt zu werden, bis zur Stadt hinaus in die Nähe der Gärten der Veziere. Ich sah, wie sie dem Träger die Augen verband, und folgte ihr dann noch heimlich gegen das Gebirge zu.
Die Frau nahm nun vor einem großen Felsen dem Träger die Last ab und leerte sie in einen Korb; ich näherte mich indessen dem Felsen und fand eine Treppe in denselben gehauen; ich stieg hinunter und kam in einen langen Gang, der sehr hell beleuchtet war; endlich fand ich eine Art Gemach mit einer Türe. Ich versteckte mich hinter der Türe des Gemachs und sah bald, wie die Frau das Fleisch zerschnitt, die besten Stücke in einen Topf legte und das Übrige einem großen Bären zuwarf, der alles auffraß. Als das Fleisch im Topfe gekocht war, aß sie, brachte dann Wein und Früchte, trank selbst, gab dem Bären aus einer goldenen Schüssel zu trinken und liebkoste ihn, bis sie einschliefen. Voll Ärger über das Leben dieser Frau ging ich mit einem Messer, das so scharf war, dass es Knochen noch schneller als Fleisch durchschnitt, in das Gemach und hieb dem Bären den Kopf ab. Beim Gestöhne des Tieres erwachte die Frau und schrie: "O Wardan! ist das der Lohn des Guten, das ich dir getan?" Ich sagte ihr: "O Feindin deiner selbst! gibt es nicht Männer genug auf der Welt, dass du in Gesellschaft eines Tieres leben musst?" Sie beugte ihren Kopf zur Erde, antwortete nicht und richtete stets ihre Blicke auf den geschlachteten Bären. Nach einer Weile sagte sie; "Höre mich an, Wardan, und es wird dir gut gehen und du wirst reich werden für dein ganzes Leben lang; schlachte mich wie du diesen Bären geschlachtet, nimm von meinem Schatze hier so viel du brauchst, und gehe deines Weges!" Da sagte ich ihr: "Bin ich nicht besser, als dieses Tier? Warum willst du sterben? Ich will dich heiraten, und wir können zusammen von diesem Schatze leben." - "Das kann nicht sein, Wardan," erwiderte sie; "wie kann ich diesen Bären überleben? Bei Gott, wenn du mich nicht schlachtest, so werde ich dir nach deinem Leben trachten und du wirst dem Tode nicht entgehen!" Da zog ich sie an den Haaren herbei und schlachtete sie, und sie fuhr mit dem Fluche Gottes, der Engel und der Menschen in die Hölle. Dann sah ich mich in ihrer Wohnung um und fand eine unbeschreibliche Masse Gold und Perlen und Edelsteine. Ich nahm den Korb des Trägers, legte soviel hinein, als ich tragen konnte, deckte ihn mit einem Tuche, das ich bei mir hatte, zu und ging in Einem fort bis an das Siegestor.

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