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Der
Todesengel vor zwei Königen und einem Frommen
Tausend und eine Nacht, Gustav Weil, Seite 1 ( von 2 )
Man erzählt ferner: Einer der älteren Könige wollte sich einst
im höchsten Glanze, von allen Großen des Reichs umgeben, seinem
Volke zeigen. Er befahl allen seinen Freunden und Emiren, sich zu einer
Musterung vorzubereiten, ließ sich von seinem Kammerdiener die
kostbarsten Kleider bringen und von seinem Stallmeister die schönsten
Pferde vorführen, und nachdem er das beste gewählt hatte, ritt er,
ganz in Gold und Perlen und allerlei Edelsteinen gehüllt, mit
glänzenden Gefolge von seinem Schlosse weg und begab sich mitten unter
seine Truppen. Hier ließ er seinen Renner stolz umhertummeln, Satan blies
Eitelkeit und Hochmut in seine Nase, so dass er voll Selbstgefallen zu sich
selbst sagte: Wer in der Welt kann sich mit mir vergleichen?
Während der König so stolz umhersprengte und vor Hochmut Niemanden
ansah, kam auf einmal ein Mann in zerrissenen Kleidern auf ihn zu und
grüßte ihn. Der König erwiderte seinen Gruß nicht. Da
ergriff der Mann die Zügel seines Pferdes. als der könig dies sah,
sagte er ihm: "Ziehe deine Hand zurück, du weißt nicht, wessen
Zügel du ergriffen." - "Ich habe ein Anliegen." -
"Warte, bis ich absteige, dann magst du mir dein Anliegen vortragen."
- "Ich kann nicht warten, bist du absteifst, mein Geschäft leidet
keinen Aufschub." - "So sprich denn!" - "Ich muss es dir
geheim sagen." Da neigte der König sein Ohr zu ihm hin und der Mann
sagte ihm in's Ohr: "Ich bin der Todesengel und komme, um deine Seele zu
holen." - "Warte doch, bis ich nach Hause gehe, und meine Frau und
meinen Kindern und meinen Nachbarn Lebewohl sage." - "Das kann nicht
sein, die siehst du nie mehr wieder; deine Lebenszeit ist vorüber, ich
muss sogleich deine Seele haben." Sobald der Todesengel dies gesagt hatte,
fiel der König von seinem Pferde tot zur Erde. Der Todesengel begab sich
hierauf zu einem frommen, gottesgefälligen Manne, grüßte ihn
und sagte ihm: "Ich habe dir, o frommer Mann, ein Geheimnis
anzuvertrauen." - "Sage es mir ins Ohr." - "Ich bin der
Todesengel." - "Sei mir willkommen! Gelobt sei Gott, der dich zu mir
gesandt, ich erwarte deine Ankunft schon seit langer Zeit mit vieler
Sehnsucht." - "Wenn du vorher irgend ein Geschäft zu verrichten
hast, so tue es." - "Ich kenne kein wichtigeres Geschäft, als
meinem Herrn zu begegnen." - "Wie soll ich deine Seele holen? denn
Gott hat mir befohlen, ich möchte dir die Wahl lassen." - "So
warte, bis ich mich wasche und bete, dann töte mich beim
Niederfallen." Der Mann wusch sich nun und betete, und als er betend
niederfiel, nahm der Engel seine Seele und brachte ihn an den Ort des
Erbarmens, der Verzeihung und der Seligkeit.
Ebenso wird erzählt: Ein gewisser König sammelte einst
unzählbare Schätze und schaffte sich Alles in der Welt an, was zu
seinem Vergnügen und zu seiner Bequemlichkeit dienen konnte; er ließ
sich ein großes, hohes Schloss bauen, wie es die mächtigsten Sultane
nur hatten, mit zwei festen Toren, die von vielen Dienern und Soldaten und
Pförtnern bewacht wurden. Eines Tages befahl er seinem Koch, eine Mahlzeit
von den ausgesuchtesten Speisen zuzubereiten, und lud alle seine Freunde, seine
ganze Familie und viele seiner Beamten dazu ein. Als er bei der Mahlzeit auf
seinem königlichen Sofa an ein Kissen gelehnt ganz stolz da saß,
sagte er zu sich selbst: Du hast dir alle Annehmlichkeiten der Welt verschafft,
jetzt genieße sie auch und freue dich auch und freue dich des Lebens und
des Glücks, um das du dich so lange bemüht. Kaum hatte er diese
Selbstgespräch geendet, als ein Mann in zerrissener Kleidung, mit einem
Bettelsack am Halse hängend, so stark an die Tür des Schlosses
klopfte, dass das ganz Schloss zitterte und der Thron des Königs wankte.
Die Diener liefen erschrocken zur Türe und riefen dem Klopfenden zu:
"Wehe dir! was ist das für eine Ungezogenheit und Frechheit? Warte,
bis der König gespeist hat, dann wird man dir Etwas geben von dem was
übrig bleibt."
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