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Das
tugendhafte israelitische Ehepaar
Tausend und eine Nacht, Gustav Weil, Seite 1 ( von 2 )
Man erzählt ferner: Einst lebte unter den Söhnen Israels ein sehr
tugendhafter und gottesfürchtiger Mann, der sein Herz allen weltlichen
Dingen verschlossen hatte, auch seine treue Gattin teilte seine
Frömmigkeit und seine Duldung. Sie ernährten sich lange von ihrer
Hände Arbeit, flochten den ganzen Tag Fächer, Mückenwehrer und
dergleichen, damit ging der Mann Abends auf die Straßen und Märkte,
bis er sie verkaufte, und brachte für das Geld Lebensmittel nach Hause.
Als der Mann eines Tages nach vollendeter Arbeit in einer Straße
umherging, wo er Käufer suchte, sah ihn die Frau eines vornehmen
Weltmannes und fand ihn so schön und ehrwürdig, dass sie sich
leidenschaftlich zu ihm hingezogen fühlte. Da ihr Mann gerade abwesend
war, sagte sie zu ihrer Dienerin: "Kannst du vielleicht ein Mittel
erfinden, den Mann, der da vorübergeht, hereinzubringen und zu
veranstalten, dass er unbemerkt die Nacht bei mir zubringe?" Die Dienerin
ging zu ihm auf die Straße, rief ihm nach, sie wolle ihm Etwas abkaufen,
und lockte ihn so bis zur Haustüre. Dann sagte sie ihm: "Komm herein,
setze dich auf die Bank hier, dass ich deine Waren meiner Herrin zeige, damit
sie aussuche, was sie zu kaufen wünscht." Da der Mann kein Misstrauen
hegte, folgte er der Dienerin ins Haus, ohne irgend ein Übel zu
befürchten. Aber kaum hatte er sich niedergesetzt, verschloss die Dienerin
die Haustüre und ihre Herrin kam aus ihrem Gemache, zog ihn zu sich hinein
und sagte: "Wie lange wünsche ich schon mit dir allein zu sein! Mit
welcher Ungeduld erwartete ich diesen Augenblick! sieh, das Zimmer ist
beräuchert, das Essen ist bereit, der Herr des Hauses kommt heute Nacht
nicht nach Hause, und ich liebe dich von ganzem Herzen. Wie manche Könige
und Große und Reiche haben schon um meine Liebe sich beworben; aber du
bist der erste Mann, dem ich eine solche Gunst bezeige." Die Frau sprach
noch Vieles in diesem Sinne, aber der Mann hob seinen Kopf nicht in die
Höhe, weil er vor Gott sich scheute und seine schwere Strafe
befürchtete. Als er aber kein Mittel sah, sie los zu werden, sagte er:
"Ich habe eine Bitte an dich." - "Worin besteht sie?" -
"Gib mir reines Wasser und lass mich auf der Terrasse deines Hauses
waschen und Etwas verrichten, was ich dir jetzt nicht sagen kann." -
"Das Haus ist groß und hat verborgene Winkel gar viele, sowie auch
ein Reinigungszimmer, du brauchst nicht auf die Terrasse zu gehen." -
"Ich muss den höchsten Platz im Hauses besteigen." Da rief sie
eine Dienerin und sagte ihr: "Geh' mit dem Mann auf die Terrasse des
Hauses und nimm ein Waschbecken voll Wasser mit!" Als der Mann auf der
Terrasse war, wusch er sich, betete, blickte dann auf die Straße hinunter
und merkte wohl, dass, wenn er hinunterspringen wollte, er zerstückelt auf
den Boden kommen würde. Doch dachte er an die große Sünde, die
er begehen sollte, und an deren harte Strafe, und entschlossen, sein Leben zu
opfern, rief er aus: "Mein Gott und Herr! Du siehst meine Lage und
weißt, dass ich gerne mein Leben hingebe, um dein Wohlgefallen zu
erlangen, doch bist du ja allmächtig." Als er diese Worte vollendet
hatte, warf er sich von der Terrasse herunter; aber Gott schickte einen Engel,
der ihn auf seine Flügel nahm und sanft auf die Erde niederließ,
ohne das er sich nur im Mindesten beschädigte.
Als der fromme Mann den Boden erreichte, dankte er Gott, der ihn für sein
Vertrauen so reichlich belohnt, und ging mit leerer Hand zu seiner Gattin. Sie
fragte ihn, warum er so lange ausgeblieben und was er mit der mitgenommenen
Arbeit angefangen? Er erzählte ihr, was ihm für eine Versuchung
zugestoßen und wie ihn Gott auf eine wunderbare Weise gerettet. Die Frau
sagte hierauf: "Da unsere Nachbarn wissen, dass wir jeden Tag fasten und
Abends Feuer machen, um unser Abendessen zu kochen, so wollen wir in Gottes
Namen auch diesen Abend Feuer anzünden, um ihnen unsere Armut zu
verbergen; wir aber wollen auch diese Nacht noch fortfasten."
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