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Der Traum des
Wolfes
Märchen von Johann Wilhelm Wolf, Seite 1 ( von 1 )
Der Wolf lag in einer Nacht in seinem Loche, da klang es ihm im linken Ohr.
"Das bedeutet eine hochzeitliche Speise" sprach er, ließ
morgens alle Brocken liegen, welche er noch übrig hatte und marschierte
weg. Da kam er auf eine Wiese, wo zwei Widder weideten; er ging zu ihnen und
sprach: "Einen von euch muss ich fressen." "Herr wie du
willst," sprach der älteste von den Widdern, "wir können
gegen dich nichts ausrichten, aber du bist ein guter Landmesser und
könntest vorher die Weide abmessen, wie viel jedem von uns gehört,
dann gibt es keine Erbstreitigkeiten." "Das soll geschehen"
sprach der Wolf, dem dies schmeichelte, und er lief die Nase an der Erde rund
um die Wiese herum und stellte sich dann in die Mitte. "Stellt euch auf
die beiden Ecken," rief der Wolf, "du dahin, du dorthin und laufet
auf mich zu, dann werdet ihr finden, dass ich recht gemessen habe." Das
geschah, die Widder liefen auf ihn zu und stießen ihn so unsanft mit den
Hörnern, dass ihm der Appetit nach ihnen verging und er wie tot liegen
blieb.
Als er wieder zu sich kam, sprach er: "Die Schmerzen achte ich nicht, ich
traue auf mein Ohr', und er ging weiter und kam an eine andere Wiese, da
weidete ein Pferd mit einem Füllen. "Eins von euch muss ich
fressen" rief er. Das Pferd sprach: "Herr wie du willst, du bist der
Stärkere, aber ich habe mir einen Dorn in den Fuß getreten, frisst
du mir mein Füllen, dann habe ich Niemand, der mir den Dorn aus dem
Fuße zieht; darum bitte ich dich, tue mir zuvor den Liebesdienst, du bist
als ein geschickter Feldscherer bekannt." "Das soll geschehen,"
sprach der Wolf, dem der Mund nach dem jungen Füllenfleisch wässerte,
und dem das Lob außerdem wohl tat. "Heb' nur den Fuß auf und
sage mir, wo der Dorn steckt, ich hole ihn eins, zwei, drei heraus." Das
Pferd hob einen Hinterhuf, der Wolf trat hinzu; als er aber recht genau
zuguckte, schlug ihn das Pferd vor den Kopf, dass ihm grün und gelb vor
den Augen wurde und er wie tot liegen blieb.
Als er wieder zur Besinnung kam, sprach er: "Die Schmerzen achte ich
nicht, ich traue meinem Ohr und muss meine hochzeitliche Speise finden."
Er schritt, Anfangs matt, dann immer rüstiger weiter und kam an ein Dorf.
Vor dem Dorf stand der Backofen und glühte und vor dem Backofen stand eine
alte Geiß mit sieben jungen Geißchen, die meckerten, dass es eine
Art hatte. Der Wolf lief auf sie zu und rief: "Eins von euch muss ich
fressen." "Muss ist ein bitter Kraut", sprach die Geiß,
"aber Herr wie du willst, denn du bist der Stärkere. Nur
könntest du und zuvor noch einen Gefallen tun." "Was ist
das?" frug der Wolf. "Wir sangen soeben das Lied "Eine feste
Burg" aber die Melodie will nicht recht heraus; da du ein so guter
Sänger bist, könntest du sie uns einmal vorsingen, dann magst du
sogleich eins von meinen Geißerchen fressen und kannst er dir
aussuchen." Das schmeichelte dem Wolf nicht wenig, denn er hörte sich
gar zu gern loben. Er setzte sich auf seine Hinterbeine, fegte mit den
Vorderpfoten in der Luft herum als schlüge er den Takt und hub an zu
heulen, dass alle Bauern im Dorfe zusammenliefen und ihm das Fell so
zergerbten, dass ihm die Lust nach Geißenfleisch ganz und gar verging.
Da schlich er betrübt und hungrig in den Wald, legte sich unter einen
Eichbaum und rief: "Ach was bin ich doch für ein dummer Kerl! Ach
Gott, wirf dein scharfes Schwert von deinem elfenbeinernen Turm und strafe mich
um meiner Dummheit willen, dass ich meinem linken Ohr so viel getraut
habe!" Nun saß auf der Eiche ein Bauer, der mit seinem Beil im Walde
gearbeitet hatte und als er den Wolf kommen sah auf den Baum geklettert war.
Als er den Wolf also rufen hörte, fasste er das Beil und warf es ihm
gerade zwischen die Ohren. "Uh," schrie der Wolf, "die
Stätte ist gar zu heilig, da wird jede Bitte all zu bald erhört"
und er schleppte sich schachmatt und halbtot zu seiner Höhle. Da fand er
kein Bröcklein mehr von seinem Vorrat und er sprach trostlos zu sich
selbst: "Mein Vater war kein Landmesser, drum kann ich auch keiner sein,
mein Vater war kein Feldscherer, drum kann ich auch keiner sein; mein Vater war
kein Sänger, drum kann ich auch keiner sein und kann mir mein Brot nicht
verdienen."Und darüber quälte er sich so, dass er sich hinlegte
und starb.
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