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Vom
Hühnchen und Hähnchen
Märchen von Ludwig Bechstein, Seite 1 ( von 1 )
Es war einmal ein Hühnchen und ein Hähnchen, die gingen miteinander
auf den Nussberg und suchten sich Nüsschen. Das Hähnchen sprach zum
Hühnchen: "Wenn Du ein Nüsschen findest iss es ja nicht allein,
gib mir die Hälfte davon, sonst erwürgst du." Aber das
Hühnchen hatte ein Nüsschen gefunden und es allein gegessen, und der
Kern ist in seinem Hälschen stecken geblieben, dass es im Erwürgen
war, und ängstlich rief: "Hähnchen, Hähnchen, hol' mir
geschwind ein wenig Brunnen, ich erwürge sonst!" Da lief das
Hähnchen flugs zum Brunnen, und sprach: "Brunn', Brunn', gib mir
Brunn', dass ich den Brunn' meinem Hühnchen geb', es liegt oben auf dem
Nussberg und will ersticken." Und der Brunnen sprach: "Erst geh hin
zur Braut, und hole mir den Kranz!" Da lief das Hähnchen hin zur
Braut und sprach: "Braut, Braut, gib mir den Kranz, dass ich den Kranz zum
Brunnen geb', dass mir der Brunnen Brunnen gibt, dass ich den Brunnen meinem
Hühnchen geb', es liegt oben auf dem Nussberge und will
erwürgen." Aber die Braut sprach: "Erst geh hin zum Schuster und
hole mir Schuhe." Und wie das Hähnchen zum Schuster kam, sprach
dieser: "Erst geh hin zur Sau und hole mir Schmeer." Und die Sau
sprach: "Erst geh hin zur Kuh und hole mir Milch." Und die Kuh
sprach: "Erst geh hin zur Wiese und hole mir Gras!" - Wie nun das
Hähnchen zur wiese kam, und sie um Gras bat, war diese gütig und gab
ihm viele Blumen und Gras, dieses gab geschwinde das Hähnchen der Kuh, und
erhielt Milch dafür, und für die Milch tat auch das Schwein von
seinem Fett her, und damit schmierte der Schuster sein Leder, und machte flugs
die Schuhe der Braut, und gegen die Schuhe tat freundlich die Braut den Kranz
her, und das Hähnchen reichte denselben dem Brunnen, und dieser sprudelte
sogleich sein klares Wasser heraus, und in das Gefäßchen, welches
das Hähnchen unterhielt: Im schnelle Lauf kehrte nun das Hähnchen
zurück zum Nussberg; aber wie es zum Hühnchen kam, war dasselbe
unterdessen erwürgt. Da kikirikite das Hähnchen vor Schmerz hell auf,
das hörten alle Tiere in der Nachbarschaft, die liefen herbei und weinten
um das Hünchen. Und da bauten sechs Mäuselein einen Trauerwagen,
darauf legten sie das tote Hühnchen und spannten sich davor und zogen den
Wagen fort. Wie sie nun, das Hähnchen, das tote Hühnchen, die
Mäuselein und der Trauerwagen, so auf dem Wege waren, da kam der fuchs
hinterdrein und fragte: "Wo willst Du hin, Hähnchen?" -
"Ich will mein Hühnchen begraben!" - "Das will ich tun, Du
Narr!" rief der Fuchs, fraß das Hühnchen, weil es noch nicht
lange tot war, und begrub es in seinem Magen. Da trauerte das Hähnchen und
fief: "So wünsch ich mir den Tod, um bei meinem Hühnchen zu
sein." - "Soll so sein!" sprach der Fuchs, und fraß das
Hähnchen, dass es zu seinem Hühnchen kam. Da weinten die
Mäuslein um das Hähnchen, und da dachte der Fuchs, sie wollten auch
tot sein, und schlang sie hinter. Weil aber die Mäuslein an den Wagen
gespannt waren, so schlang er auch den Wagen mit hinunter, und da stieß
ihm die Deichsel das Herz ab, dass er Länge lang hinfiel und alle Viere
von sich streckte. Da flog ein Vöglein auf einen Lindenzweig und sang:
Fuchs ist mausetot! Fuchs ist mausetot.
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