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Fippchen
Fäppchen
Märchen von Ludwig Bechstein, Seite 1 ( von 1 )
Eine Mutter hatte zwei Töchter, eine rechte Tochter und eine Stieftochter.
Die letztere wurde von der Frau sehr schlecht behandelt, so dass sie es nicht
aushalten konnte. Eines Tages nahm sie sich ein Töpfchen, etwas Milch und
einen Löffel in ihr Körbchen und ging davon. Sie kam in einen
finsteren Wald, darin lief sie langsam herum, bis sie vor Hunger und
Müdigkeit nicht weiter gehen konnte. Hier ruhte sie aus, schürte ein
Feuerchen an, und kochte sich einen Brei. Als sie im besten Kochen war, kam
plötzlich ein kleines, graues Männlein und fragte: "Was kochst
Du da?" "Einen Brei," sagte sie. "Ach, lass mich Deinen
Löffel ablecken," bettelte das graue Männlein. Sie sprach
freundlich: "Du kannst auch ordentlich mit mir essen." Da hüpfte
das Männlein vor Freude um das Feuer herum, bis der Brei fertig war;
darauf aßen die Beiden miteinander und ließen sich's gut schmecken.
"Weißt Du, wie ich heiße?" sprach das Männlein.
"Ich heiße Fippchen Fäppchen, und nun gehe mit mir, Du sollst
es gut bei mir haben!" Da gingen die Beiden zusammen weit, weit fort im
Walde und kamen endlich an ein Schloss; die Tore öffneten sich und beide
spazierten hinein. Da war alles prachtvoll ausgeschmückt, und war alles zu
haben, was man nur wünschen mochte, und es war ein Zauberschloss, das
Fippchen Fäppchen gehörte. Die Stiefmutter des davon gegangenen
Mädchens aber hatte sich aufgemacht mit einem tüchtigen Prügel,
nach der entflohenen Tochter zu suchen, und wollte sie totschlagen, wenn sie
sie fände, oder doch wenigstens windelweich. Und nach eineigen Tagen kam
sie an die Türe des Zauberschlosses und klopfte an. Wie erstaunt war die
Stieftochter, als sie ihre Mutter kommen sah, und wie erstaunt war die
Stiefmutter, ihre von ihr so schlecht behandelte Tochter in so prachtvoller
Umgebung und in den schönsten Kleidern wieder zu finden. Vor Schreck fiel
ihr der Prügel aus der Hand. Die Stieftochter nahm ihr Mutter sehr
freundlich auf, bewirtete sie gut und nach einem kurzen Aufenthalt kehrte die
Mutter wieder heim und pries zu Hause ihre Stieftochter über die
Maßen glücklich. Das nahm sich die rechte Tochter zu Ohren und zu
Herzen, und da die Stiefschwester der Mutter erzählt hatte, wie sie zu dem
Glück gekommen, so lief sie nun auch davon, kam in denselben Wald, ruhte
aus und fing an, auch einen Brei zu kochen. Da kam das graue Männlein
auch, und fragte: "Was kochst Du?" "Einen Brei," sagte sie.
Darauf sprach das Männlein: "Lass mich Deinen Löffel
ablecken." "Nein", sagte das Mädchen trotzig und missmutig,
"ich kann ihn selbst ablecken." Dann setzte sich das Mädchen hin
und aß den Brei allein, und das Männchen sah zu, und als das
Mädchen fertig war, da nahm das Männlein das Mädchen und zeriss
es in tausend Stücke und hing sie an die Bäume. Nach dem suchte die
Mutter die rechte Tochter und meinte, der müsse auch so ein großes
Glück begegnet sein, als ihrer Stieftochter. Als sie in die Nähe kam,
wo ihre Tochter in Fetzen hing, dachte sie, die Tochter habe dort Wäsche
aufgehangen, wie groß aber war ihr Schrecken und ihr Jammer, als sie
näher kam und sah, was geschehen war. Sie fiel ohnmächtig zur Erde,
und ich weiß nicht, ob sie wieder nach Hause gekommen ist.
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