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Die drei
Federn
Märchen von Ludwig Bechstein, Seite 1 ( von 1 )
Einem Mann wurde ein Söhnlein geboren, und da der Vater ausging, einen
Paten zu suchen, der das Kind aus der Taufe hebe, so fand er einen jungen und
wunderschönen Knaben, gegen den sein Herz gleich ganz voll Liebe wurde.
Und als er ihm nun sein Bitte vortrug, war der schöne Knabe gern bereit
mitzugehen, und das Kind zu heben, und hinterließ ein junges weißes
Ross als Patengeschenk. Dieser Knabe ist aber Niemand anders gewesen, als Jesus
Christus, unser Herr.
Der junge Knabe, welcher in der Taufe den Namen Heinrich empfangen hatte, wuchs
zu seines Vaters und seiner Mutter Freude, und wie er die Jünglingsjahre
erreicht hatte, da hielt es ihn nicht mehr daheim, sondern es zog ihn in die
Ferne, nach Taten und Abenteuern. Nahm daher Urlaub von seinen Eltern, setzte
sich auf sein gesatteltes Rösslein, das ihm der unbekannte Knabe zum
Patengeschenk gegeben, obschon er nicht wusste, wie viel dieses Rösslein
wert war, und ritt frisch und fröhlich darauf in die Welt hinein. Da ritt
er eines Tages durch einen Wald, und siehe da lag hart am Wege eine schöne
Feder aus dem Rad eines Pfauen, und die Sonne schien auf die Feder, dass ihre
bunten Farben in ihrem Glanze prächtig leuchteten. Der junge Knabe hielt
sein Rösslein an, und wollte absteigen, um die Feder aufzuheben, und sie
an seine Hut zu stecken. Da tat das Rösslein sein Maul auf, und sprach:
"Ach, lass die Feder auf dem Grunde liegen!" Das verwunderte den
jungen Reiter, dass das Rösslein sprechen konnte, und es kam ihm ein
Schauer an; blieb im Sattel, stieg nicht ab, hob die Feder nicht auf, ritt
weiter. Nach einer Zeit geschah es, dass der Knabe am Ufer eines Bächleins
hinritt, siehe, da lag eine bunte, feine, viel schönere Feder auf dem
grünen Gras, als jene war, die im Walde gelegen hatte, und des Knaben Herz
verlangte nach ihr, seinen Hut damit zu schmücken; denn dergleichen Pracht
von einer Feder hatte er all sein Lebtag noch nicht gesehen. Aber wie er
absteigen wollte, so sprach das Rösslein abermals: "Ach lass die
Feder auf dem Grunde!" Und wieder verwunderte sich der Knabe über
alle Maßen, dass das Rösslein sprach, während es doch sonst
nicht redete, folgte ihm auch diesmal, blieb im Sattel, stieg nicht ab, hob die
Feder nicht auf, ritt weiter.
Nun währte es nur eine kleine Zeit, da kam der Knabe an einen hohen Berg,
wollte da hinaufreiten, da lag an seinem Fuße im Wiesengrunde wieder eine
Feder, das war nach seinem Vermeinen aber die allerschönste in der ganzen
weiten Welt, und die musste er haben. Sie glänzte und funkelte, wie lauter
blaue und grüne Edelsteine, oder wie die hellen Tautropfen in der
Morgensonne. Aber wiederum sprach das Rösslein: "Ach, lass die Feder
auf dem Grunde!" Dieses Mal vermochte der Jüngling aber dem
Rösslein nicht zu gehorchen und wollte seinen Rat nicht hören, denn
es gelüstete ihm allzu sehr nach dem lieblichen uns stattlichen Schmuck.
Er stieg ab, hob die Feder vom Grunde und steckte sie auf seinen Hut. Da sprach
das Rösslein: "O weh, was tust Du Dir zum Schaden? Es wird Dich wohl
noch reuen!" Weiter sprach es nichts. Wie der Jüngling weiter ritt,
so kam es an eine stattliche und wohlgebaute Stadt, da sah er viel
geschmückte Bürgersleute, und es kam ihm ein feiner Zug entgegen mit
Pfeifern, Pauken und Trompeten, und vielen wehenden Fahnen, und das war
prächtig anzusehen. Und in dem Zuge gingen Jungfrauen, die streuten
Blumen, und die vier schönsten trugen auf einem Kissen eine
Königskrone. Und die Ältesten der Stadt reichten die Krone dem
Jüngling und sprachen: "Heil Dir, Du uns von Gott gesandter
Jüngling! Du sollst unser König sein! Gelobt sei Gott der Herr in
alle Ewigkeit!" Und alles Volk schrie: "Heil unserm König!"
Der Jüngling wusste nicht wie ihm geschehen, als er auf seinem Haupt die
Königskrone fühlte, kniete nieder und lobte Gott und den Heiland.
Hätte er die erste Feder aufgehoben, so wäre er ein Graf geworden;
die zweite: ein Herzog, und hätte er die dritte Feder nicht aufgehoben, so
hätte er auf dem Bergesgipfel eine vierte gefunden, und das Rösslein
hätte dann gesprochen: "Diese Feder nimm vom Grunde." Dann
wäre er ein mächtiger Kaiser geworden über viele Reiche der
Welt, und die Sonne wäre nicht untergegangen in seinen Landen. Doch war er
auch so zufrieden, und ward ein gütiger, weiser, gerechter und frommer
König.
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