|
Der Springer
Märchen von Hans Christian Andersen, Seite 1 ( von 1 )
Der Floh, der Grashüpfer und der Springbock wollten einmal sehen, wer von
ihnen am höchsten springen könne, und da luden sie Jeden ein, der
kommen wollte die Pracht mit anzusehen, und es waren drei tüchtige
Springer, die sich im Zimmer versammelten.
Ich gebe meine Tochter dem, der am höchsten springt!" sagte der
König. "Denn es wäre zu ärmlich, wenn die Personen umsonst
springen sollten."
Der floh kam zuerst vor . Er hatte feine Sitten und grüßte nach
allen Seiten , denn er hatte Fräuleinblut in den Adern und war
gewöhnt, nur mit Menschen umzugehen, und das macht sehr viel aus. Nun kam
der Grashüpfer, der war freilich bedeutend schwerer, aber er hatte doch
eine ganz gute Gestalt und trug einen grünen Rock, und der war ihm
angeboren. Überdies behauptete er, dass er im Lande Ägypten eine sehr
alte Familie besitze, und dass er dort höchst geschätzt sei. Er war
gerade vom Felde genommen und in ein Kartenhaus von drei Stockwerken versetzt
worden, die alle aus Kartenfiguren, welche die bunte Seite einwärts
kehrten, zusammengesetzt waren; da waren sowohl Türme als Fenster
ausgeschnitten. "Ich singe so", sagte er, "dass sechzehn
eingeborne Heimchen, die von ihrer Kindheit an gepfiffen und doch kein
Kartenhaushaus erhalten haben, aus Ärger noch dünner wurden, als sie
schon waren, da sie mich hörten!"
Beide, der Floh und der Grashüpfer, taten so gehörig kund, wer sie
waren, und dass sie glaubten, eine Prinzessin heiraten zu können.
Der Springbock sagte nichts, aber man erzählte von ihm, dass er desto mehr
denke, und als der Hofhund ihn nur beschnüffelte, haftete er dafür,
dass der Springbock von guter Familie sei. Der alte Ratsherr, der drei Orden
für das Stillschweigen erhalten hatte, versicherte, dass der Springbock
mit Weissagungskraft begabt sei; man könne an seinem Rücken erkennen,
ob man einen milden oder strengen Winter bekomme, und das kann man nicht einmal
auf dem Rücken dessen sehen, der den Kalender schreibt.
"Ich sage gar nichts!" sagte der alte König, "aber ich gehe
nur immer still für mich und denke das Meine!"
Nun war es um den Sprung zu tun. Der Floh sprang so hoch, dass Niemand es sehen
konnte, und da behaupteten sie, dass er gar nicht gesprungen sei, und das war
doch recht schlecht! Der Grashüpfer sprang nur halb so hoch, aber er
sprang dem König gerade ins Gesicht, und da sagte dieser, das sei
hässlich. Der Springbock stand lange still und bedachte sie, am Ende
glaubte man, dass er gar nicht springen könne.
"Wenn ihm nur nicht unwohl geworden ist!" sagte der Hofhund, und dann
beschnüffelte er ihn wieder. Rutsch! da sprang er mit einem kleinen
schiefen Sprung in den Schoß der Prinzessin welche niedrig auf einem
goldenen Schemel saß.
Da sagte der König: "Der höchste Sprung ist der, zu meiner
Tochter hinaufzuspringen, denn darin liegt das Feine, aber es gehört Kopf
dazu, darauf zu kommen, und der Springbock hat gezeigt dass er Kopf hat. Er hat
Verstand im Kopfe!"
Und dann erhielt er die Prinzessin.
"Ich sprang doch am höchsten!" sagte der Floh. "Aber es ist
einerlei! Lass sie nur den Gänserücken mit Stock und Pech haben! Ich
sprang doch am höchsten, aber es gehört in dieser Welt ein
Körper dazu, damit man gesehen werden kann!"
Und dann ging der Floh in fremde Kriegsdienste, wo er, wie man sagt, erschlagen
sein soll.
Der Grashüpfer setzte sich draußen in den Graben und dachte
darüber nach, wie es eigentlich in der Welt zugehe, und er sagte auch:
"Körper gehört dazu! Körper gehört dazu!" Und
dann sang er sein eigentümliches trübseliges Lied, und daher haben
wir die Geschichte erfahren, die doch erlogen sein könnte, wenn sie auch
gedruckt ist.
|
|