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Tod
eines Liebenden aus dem Stamme Uzra
Tausend und eine Nacht, Gustav Weil, Seite 1 ( von 1 )
Man erzählt ferner: Unter dem Stamme der Söhne war ein Mann, der
keinen Tag ohne eine neue Liebe leben konnte. Einst liebte er ein schönes
Mädchen aus seinem Stamme und warb um sie; sie aber verschmähte ihn
und wies ihn immerfort ab. Der Mann ward darüber krank und grämte
sich so sehr, dass alle seine Kräfte schwanden und er so schwach und mager
ward, dass seine Liebe kein Geheimnis mehr blieb. Lange baten seine und ihre
Verwandten seine Geliebte, sie möchte ihn doch besuchen, aber sie weigerte
sich, bis er dem Tode nahe war. Erst als sie sein nahes Ende vernahm,
bemitleidete sie ihn und entschloss sich, ihn zu besuchen. Als er sie
erblickte, flossen seine Augen in Tränen über und er sprach folgende
Verse:
"Wenn du meinen Leichenzug vorüberziehen siehst, wirst du ihm nicht
folgen und den Verschiedenen grüßen, der dem Grabe überlassen
wird?"
Das Mädchen sagte weinend: "Ich dachte nicht, dass es so weit mit dir
gekommen wäre, aber bei Gott, ich will dir Alles gewähren, was du von
mir forderst." Da rezitierte er weinend folgenden Vers:
"Sie nahet mir, wenn Todesschatten uns trennen, und will mir gehören,
wenn ich sie nicht mehr besitzen kann."
Dann atmete er tief und verschied. Das Mädchen weinte, küsste ihn und
fiel in Ohnmacht, und nach drei Tagen starb auch es und wurde in sein Grab
gelegt.
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