|
Geschichte
des Arabers mit den Bohnen
Tausend und eine Nacht, Gustav Weil, Seite 1 ( von 1 )
Unter Anderem wird auch erzählt: Als Harun Arraschid den Barmekiden Djasar
hängen ließ, befahl er, dass, wer ihn betraure und beweine, auch
gehängt werden sollte, so dass es natürlich ein Jeder
unterließ. Eines Tages kam ein Araber aus entfernter Wüste, der
jedes Jahr Djasar ein Gedicht überreichte, für welches er tausend
Dinare erhielt, womit er und seine Familie das ganze Jahr lebte. Sobald er
hörte, dass Djasar gehängt worden, ging er auf den Hinrichtungsplatz,
ließ dort sein Kamel niederknien, seufzte und weinte laut und rezitierte
sein Gedicht; dann schlief er ein und sah Djasar im Traume, der ihm sagte:
"Du hast meinetwillen diese mühsame Reise unternommen und findest
mich nun, wie du siehst; doch geh' nach Bassrah, frage nach dem Kaufmann N.N.
und sage ihm, Djasar der Barmekide lässt ihn grüßen und bei den
Bohnen beschwören, dir tausend Dinare zu geben." Der Araber machte
sich sogleich auf den Weg nach Bassrah, suchte den Kaufmann auf und trug ihm
Djasars Bitte vor. Der Kaufmann weinte so heftig, dass er beinahe sein Leben
aufgab, nahm den Araber mit Auszeichnung auf, bewirtete ihn drei Tage lang und
gab ihm am vierten Tage fünfzehnhundert Dinare, indem er ihm sagte:
"Du erhältst tausend Dinare nach Djasars Befehl und fünfhundert
als Geschenk von mir." Auch hieß er ihn jedes Jahr wiederkehren, um
tausend Dinare in Empfang zu nehmen. Der Araber beschwor den Kaufmann, er
möchte ihm doch sagen, was Djasar mit den Bohnen meinte. Da sagte der
Kaufmann. "Ich war früher ein armer Bohnenhändler: Einst ging
ich an einem kalten Tage auf dem Markte mit meinen Bohnen umher; mein Kleidung
war so schlecht, dass sie mich weder gegen die Kälte, noch gegen den Regen
schützte. Ich zitterte vor Frost und fiel einige Male auf den nassen
Boden. Dies bemerkte Djasar und bemitleidete meinen schauerlichen Zustand,
ließ mich zu sich rufen und sagte mir: "Verkaufe meinem Gefolge
diese Bohnen." Ich holte mein Maß herbei, und so wie ich die Bohnen
hergab, füllte Djasar mein Maß mit Gold, bis ich statt meiner Bohnen
einen großen Bündel Gold hatte. Zuletzt fragte Djasar: "Hast du
Nichts mehr?" Ich suchte im Korbe und fand nur noch eine Bohne. Djasar
nahm sie, teilte sie in zwei Hälften, ging damit in seinen Harem und
sagte: "Wer will diese halbe Bohne kaufen?" Eine seiner Frauen sagte:
"Ich, für den Bündel Gold, den der Mann trägt." -
"Nun," sagte Djasar, "ich behalte die andere Hälfte
für den doppelten Preis." Ich glaubte, es sei nur Scherz, aber ein
Diener brachte das Gold herbei und legte es in meinen Korb. So hat mich Gott,
gepriesen sei sein Name! durch Djasar reich gemacht, und wenn ich dir jedes
Jahr tausend Dinare gebe, so ist dies nur eine geringe Vergeltung für
seine Wohltaten gegen mich."
|
|