|
Die
tugendhafte Frau
Tausend und eine Nacht, Gustav Weil, Seite 1 ( von 1 )
Man erzählt ferner: Unter den Söhnen Israels lebte eine tugendhafte
Frau, die jeden Tag ins Gebethaus ging und zuvor in einem Garten neben dem
Bethause sich wusch. Eines Tages kamen zwei Männer, die Aufseher diese
Gartens, zu ihr und wollten sie zur Sünde verleiten. Als sie sie abwies,
sagten sie ihr: "Wenn du uns widerstehst, so klagen wir dich als eine
Buhlerin an." Die Frau sagte: "Gott wird mich gegen eure Bosheit
schützen." Da öffneten die Männer die Gartentüre und
machten Lärm. Als Leute herbei liefen und fragten, was es gäbe,
sagten sie: "Wir haben diese Frau bei einem jungen Mann ertappt, der uns
aber entlaufen ist." Die Frau wurde nach dem damaligen Gesetze drei Tage
lang eingesperrt, um dann gesteinigt zu werden, und die zwei Männer kamen
jeden Tag zu ihr, legten ihre Hand auf der Frau Haupt und sagten: "Gelobt
sei Gott, der an dir Rache nimmt!" Als man sie steinigen wollte, folgte
ihr Daniel, der damals zwölf Jahre alt war und hier sein erstes Wunder
ausübte. Er sagte : "Übereilt euch nicht, lasset mich die
Wahrheit untersuchen." Man errichtete ihm einen Thron; er setzte sich
darauf, trennte die beiden Männer - er war der Erste, der die Zeugen von
einander absonderte - und fragte Jeden, was er gesehen. Nachdem Beide dieselbe
Tat bezeugten, fragte er, wo diese Tat begangen worden. Da antwortete der Eine:
"Unter einem Quittenbaum im östlichen Teile des Gartens," und
der Andere: "Unter einem Apfelbaum im westlichen Teile des Gartens."
Die Frau stand indessen, Augen und Hände zum Himmel gehoben, ihn um
Rettung anflehend da. Da ließ Gott einen Donnerschlag die beiden
Männer treffen, und die Unschuld der Frau ward klar. Das ist die erste
öffentliche Handlung des Propheten Daniel.
|
|