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Die
gerettete Frau in Mekka
Tausend und eine Nacht, Gustav Weil, Seite 1 ( von 1 )
Einer der Großen erzählt: Während ich einst in dunkler Nacht
den Kreis um die Kaaba machte, hörte ich eine jammernde Stimme aus einem
traurigen Herzen heraufsteigen, welche rief: "O Allgütiger, mein Herz
bleibt seinem Gelübde treu! Mich rührte diese Stimme so sehr, dass
ich mich ihr näherte, und siehe da! es war die Stimme einer Frau. Ich
sagte ihr: "Friede sei mit dir, Mutter Gottes!" Sie antwortete:
"Mit dir sei Friede und Gottes Barmherzigkeit und Segen." Ich
beschwor sie dann bei Gott, mir zu sagen, was das für ein Gelübde
wäre, dem ihr Herz treu bleiben wollte. Sie antwortete: "Hättest
du mich nicht bei Gott beschworen, ich würde dir mein Geheimnis nicht
anvertraut haben. Doch sieh, was ich bei mir habe!" Ich sah sie genau an
und fand ein Kind schlafend in ihren Armen liegend, und sie erzählte dann:
"Ich verließ, dieses Kind unter meinem Herzen tragend, meine Heimat,
um hierher zu wallfahren. Ich hatte mich aber kaum eingeschifft, als uns der
Wind ungünstig ward; ein mächtiger Sturm erhob sich bald; die
Meereswellen tobten mit solchem Ungestüm, dass sie das Schiff zerschlugen;
ich aber rettete mich auf einem Brette, ward entbunden und wurde so auf diesem
Brette, mit meinem Kind im Schoße, von den Wellen hin und her getrieben.
Auf einmal kam einer der Matrosen des Schiffes zu mir geschwommen und fasste
mein Brett und sagte: Bei Gott! ich habe dich schon geliebt, als ich dich auf
dem Schiffe sah; da ich dich nun erreicht habe, so erhöre meine Liebe,
oder ich werfe dich von dem Brette herunter ins Meer. Ich sagte: Wehe dir! hat
dir das eben erlebte Unglück nicht zur Belehrung und Ermahnung gedient? Er
antwortete: Dergleichen habe ich schon oft gesehen und bin immer glücklich
davon gekommen; das macht keinen Eindruck auf mich. Ich sagte: Wir sind doch in
einer Lage, aus der wir nur durch Gottergebenheit gerettet werden können,
nicht durch Sünde. Aber alle meine Reden waren vergebens, der Matrose ward
so zudringlich, dass ich, in der Hoffnung, ihn täuschen zu können,
ihm sagte: Warte nur, bis mein Kind schläft. Aber er nahm mir mein Kind
weg und warf es ins Meer. Als ich dies sah, zerbrach mein Herz vor Gram, ich
hob den Kopf gen Himmel und rief den Allmächtigen an, dass er mich aus der
Hand dieses schwarzen Ungeheuers befreie. Kaum hatte ich mein Gebet vollendet,
als ein großes Seetier aus dem Meer emporstieg und ihn vom Brette
herunter warf. Als ich nun allein auf dem Brette war, da erwachte mein Schmerz
von Neuem über den Verlust meines Kindes, meiner Leibesfrucht, und ich
betete zu Gott, dass er mich doch wieder mit ihm vereinige. Am folgenden Morgen
sah ich auf einmal weiße Segel in der Ferne, auf die mich Wind und Wellen
hinstießen. Die Schiffsleute nahmen mich gerne auf, und als ich in ihrer
Mitte war, sah ich auf einmal mein Kind bei ihnen. Ich fiel darüber her
und sagte den Leuten, dass es mein Kind wäre, und fragte sie, wie sie dazu
gekommen. Sie antworteten: Unser Schiff hielt mitten in seinem Lauf auf einmal
still, und als wir uns nach der Ursache umsahen, entdeckten wir ein
Seeungeheuer, so groß wie eine Stadt, mit einem Kinde auf dem
Rücken, das an seinen Fingern saugte.
"Als ich dies hörte," sprach die Frau weiter,
"erzählte ich den Schiffsleuten, was mir begegnet, und dankte dem
Herrn für seine Hilfe und gelobte, nie aufzuhören, ihm in seinem
Tempel zu dienen; auch habe ich seither ihn nie um Etwas angefleht, das er mit
nicht gewährt hätte." Ich wollte nun - fährt der vornehme
Pilger fort - ihr einiges Geld schenken, aber sie sagte: "Lass mich! ich
erzähle dir von Gottes Huld und Gnade, wie kannst du glauben, dass ich von
einer andern Hand als der seinigen Etwas annehme?" Da sie durchaus Nichts
von mir annehmen wollte, verließ ich sie und rezitierte folgende Verse:
"Wie oft ist Gottes Huld im Verborgenen tätig, ohne dass der
schärfste Verstand es wahrnimmt, wie manche Armut verwandelt er in
Wohlstand, wie manchem brennenden Herzen reicht er erfreuliche Labung, wie
Mancher ist des Morgens von Gram beladen, der des Abends nur Wonne empfindet.
Geht es dir einmal schlecht einen Tag, so vertraue nur dem einzigen
Allmächtigen und flehe die Fürbitte des Propheten an, dem Alles
gewährt wird, was er für die Seinigen fordert."
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