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Der
trauernde Schullehrer
Tausend und eine Nacht, Gustav Weil, Seite 1 ( von 1 )
Man erzählt ferner von einem Mann aus Bassrah Folgendes: Ich ging einst -
so erzählte er selbst - vor einem Schullehrer vorbei, der so hübsch
aussah und so zierlich gekleidet war, dass ich bei ihm stehen blieb. Er stand
vor mir auf, hieß mich sitzen, und ich unterhielt mich mit ihm über
den Koran, über die Sprache, Poesie und Grammatik; ich fand ihn in Allem
sehr bewandert, und er gefiel mir so gut, dass ich ihn sehr oft besuchte und
mich zu ihm setzte. Eines Tages aber, als ich ihn wieder wie gewöhnlich
besuchen wollte, fand ich seine Schule geschlossen, die Nachbarn, die ich nach
ihm fragte, sagten mir, es sei ihm Jemand gestorben. Da hielt ich es für
meine Pflicht, ihm einen Trostbesuch zu machen. Ich ging also in sein Haus,
klopfte an die Türe, eine Sklavin kam mir entgegen und fragte mich was ich
wollte? "Ich will deinen Herrn sprechen." - "Mein Herr ist in
Trauer." - "Sage ihm: dein Freund N.N. will dich trösten."
Sie ging und meldete mich, und er erlaubte mir, ihn zu besuchen.
Als ich in sein Zimmer kam, saß er da ganz allein mit verbundenem Haupte.
Ich sagte: "Gott vergrößere deinen Lohn in jener Welt! das ist
ein Weg, den Jeder betreten muss, du musst dein Unglück standhaft
tragen." Dann fragte ich ihn: "Hast du deinen Vater verloren?" -
"Nein." - "Ist deine Mutter gestorben?" - "Nein."
- "Dein Bruder?" - "Nein." - "Sonst ein naher
Verwandter?" - "Nein." - "Wer denn?" - "Meine
Geliebte." - "Du kannst schon wieder eine andere finden, schöner
als sie war." - "Wisse, dass ich sie nie gesehen noch gehört
habe." - "Das ist sonderbar, wie konntest du sie denn lieben?" -
"Ich saß am Fenster und hörte, wie ein Vorübergehender
folgenden Vers sang:
"O Mutter Amrus, Gott möge dich dafür belohnen! Gib mir doch
mein Herz wieder, wie es war.
"Da dachte ich, wäre die Mutter Amrus nicht die ausgezeichnetste Frau
in der Welt, so würde man keine solche Verse für sie dichten, darum
liebte ich sie. Nach zwei Tagen sah ich wieder denselben Mann
vorübergehen, und er sang folgenden Vers:
Als der Esel die Mutter Amrus wegtrug, kehrte der Esel allein zurück ohne
sie."
"Aus diesem Verse schloss ich, dass sie gestorben sein müsse, und
darum traure ich schon drei Tage um sie." Als ich dies hörte -
fährt der Erzähler fort - ließ ich ihn sitzen und ging weg,
erstaunt über seinen Blödsinn, denn nur ein Thor kann eine Frau
lieben, die er nie gesehen.
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