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Der
Schmied und das tugendhafte Mädchen
Tausend und eine Nacht, Gustav Weil, Seite 1 ( von 1 )
Es wird erzählt: Ein frommer Mann hörte einst, es lebe in einer
gewissen Stadt ein Schmied, der die Hand ins Feuer strecken und ein
glühendes Eisen herausholen könne, ohne sich im Mindesten zu
beschädigen. Da er diesen Schmied gern sehen wollte, reiste er nach jener
Stadt, erkundigte sich nach der Wohnung des Schmieds, ging zu ihm und sah
wirklich, dass man ihm nur die Wahrheit von ihm erzählt hatte. Er wartete,
bis der Schmied mit seiner Arbeit zu Ende war, ging dann auf ihn zu,
grüßte ihn und sagte: "Ich wünsche diese Nacht dein Gast
zu sein." Der Schmied hieß ihn willkommen, nahm ihn mit in seine
Wohnung, speiste mit ihm zu Nacht und ging dann mit ihm zu Bette. Als der
Fremde bei dem Schmied keine Spur von Andacht und nächtlichen Gebeten
fand, dachte er: Vielleicht unterlässt er es in meiner Gegenwart. Er blieb
daher noch eine zweite Nacht und eine dritte, beobachtete den Schmied genau,
fand aber, dass er nicht mehr als die vorgeschriebenen üblichen Gebete
verrichtete und das er in der Nacht nicht aufstand, um zu beten. Er sagte aber
am folgenden Morgen dem Schmiede: "Ich habe gehört, welche wunderbare
Gabe dir Gott verliehen, und nun sehe ich gar nicht, dass du wie ein von dem
Herrn Begnadigter lebst; wie bist du denn zu dieser Auszeichnung gelangt?"
- "Das will ich dir erzählen," erwiderte der Schmied. "Ich
liebte einst sehr leidenschaftlich ein Mädchen, das aber so tugendhaft
war, dass alle meine Bemühungen, sie zu besitzen, fruchtlos blieben.
Während ich nun einmal in einem schrecklichen Hungerjahre zu Hause
saß, klopfte es an meine Türe; ich ging an die Türe, um
nachzusehen, wer zu mir wollte, und siehe da, es war das Mädchen, das ich
liebte, und es sagte: "Mein Freund, ich bin hungrig und erhebe mein Haupt
zu dir, dass du für Gottes Sache mir Etwas schenkst." Ich erwiderte:
"Weißt du nicht, was ich um deinetwillen leide und wie die Liebe zu
dir mich schon so lange martert? Ich werde dir daher Nichts schenken, bis du
mich erhörst." Das Mädchen antwortete: "Lieber vor Hunger
sterben, als eine Sünde gegen Gott begehen," und ging wieder fort.
Nach zwei Tagen kam sie wieder und forderte wieder zu essen; ich gab ihr wieder
dieselbe Antwort, nahm sie ins Zimmer und hieß sie sitzen, denn sie war
sehr schwach und elend. Als ich ihr dann Speisen vorlegte, flossen Tränen
aus ihren Augen und sie sagte: "Speise mich zu Ehren Gottes;" aber
ich erwiderte: "Bei Gott! nicht eher, bis du mich umarmst." Da strand
sie auf, ließ die Speisen stehen und sagte: "Ich will lieber den
Tod, als die Strafe Gottes." Nach zwei Tagen klopfte es wieder an die
Türe, und als ich herausging, sah ich das Mädchen wieder, und es
sagte mir mit einer von Hunger geschwächten Stimme: "Meine Kraft ist
dahin und ich vermag es nicht, von einem Andern, als von dir, Etwas zu fordern;
speise mich doch zu Ehren Gottes." Ich erwiderte: "Nicht eher, bis du
meinem Verlangen nachgibst." Sie trat ins Zimmer und setzte sich; da ich
keine Speisen hatte, zündete ich Feuer an, kochte Etwas, stellte es ihr in
einer Schüssel vor und dachte: Dieses Mädchen muss wohl verrückt
sein, da es so sehr von Hunger geplagt ist und dennoch meine Anträge
verwirft; aber es verweigerte mir standhaft meine Bitte, bis ich mir selbst
Vorwürfe machte über mein sündhaftes Begehren und, mich reuevoll
zu Gott bekehrend, endlich sagte: "Hier hast du zu essen, fürchte
Nichts, ich gebe dir im Namen Gottes."
Als das Mädchen dies hörte, sagte es: "Mein Gott, wenn dieser
Mann aufrichtig ist, so bewahre ihn vor dem Feuer in dieser und in jener Welt,
du kannst ja, was du willst." Ich ließ sie nun essen und ging, um
das Feuer vom Herde zu nehmen, da fiel eine brennende Kohle auf meine
Füße, und durch Gottes Allmacht empfand ich nicht den geringsten
Schmerz, und es fiel mir ein, dass wahrscheinlich ihr Gebet erhört worden.
Ich ergriff dann eine andere glühende Kohle mit der Hand und sie brannte
mich auch nicht. Da ging ich wieder zu dem Mädchen ins Zimmer und sagte:
"Freue dich, Gott hat dein Gebet erhört." Sie legte dann das
Essen aus der Hand und rief: "Mein Gott, so wie du eben meinen Wunsch
erfüllt, so erhöre auch jetzt mein Gebet und nimm meinen Geist zu
dir! Du bist ja allmächtig." Gott erfüllte auch sogleich diese
Bitte. Sein Erbarmen sei mit ihr!
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