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Der
kühne Diebstahl
Tausend und eine Nacht, Gustav Weil, Seite 1 ( von 1 )
Ein Dieb der aufrichtig Buße getan und wieder als ehrlicher Kaufmann
einen Laden geöffnet hatte, schloss eines Abends seinen Laden und ging in
sein Haus; da kam ein Dieb in der Gestalt und dem Aufzuge des Eigentümers
des Ladens, zog Schlüssel aus der Tasche heraus und ging zum Wächter
des Bazars, um sein Licht bei ihm anzuzünden; dann öffnete er den
Laden und zündete noch ein anderes Licht an, das er bei sich hatte. Als
der Wächter an dem Laden vorüberging, fand er den Dieb da sitzen, mit
dem Rechnungsbuche in der Hand und an den Fingern zählend. Sobald der
Morgenstern aufging, sagte der Dieb zum Wächter: "Hole mir ein
Kamel." Der Wächter holte ein Kamel, und der Dieb lud ihm vier
Stück Waren auf, schloss den Laden wieder, schenkte dem Wächter, der
ihn für den Eigentümer des Ladens hielt, zwei Drachmen und ging
hinter dem Kamel her. Als des Morgens der Eigentümer des Ladens in seinen
Laden kam, dankte ihm der Wächter noch einmal für die zwei Drachmen.
Der Kaufmann wusste nicht, was er meinte, bis er in seinen Laden kam und die
zwei Lichter brennend und das Buch noch daliegend fand; auch vermisste er
sogleich die vier Stück Waren. Als er den Wächter fragte, was das
bedeute, erzählte er ihm, was er in der Nacht gesehen. Da sagte der
Kaufmann: "Hole mir den Kameltreiber, der diesen Morgen die Ware
fortgebracht." Als der Wächter ihn brachte, fragte der Kaufmann,
wohin er die Waren gebracht. Der Kameltreiber nannte ihm den Hafen und das
Schiff. Der Kaufmann ließ sich von ihm dahin begleiten, ging zum Schiffer
und sagte ihm: "Wo hast du diesen Morgen den Kaufmann mit vier Stück
Waren hingebracht?" Der Hauptmann antwortete: "Da und da hin, von wo
sie durch einen Lastträger weiter gebracht wurden." Der Kaufmann
ließ den Träger herkommen und fragte ihn, wohin er die Waren
getragen. Als er den Ort nannte, der weit vom Ufer war, ließ sich der
Kaufmann von ihm dahin begleiten, öffnete das Magazin, das ihm der
Träger bezeichnet hatte, und fand darin die vier Stück Waren, die er
sogleich als die seinigen erkannte. Er nahm sie mit einer Decke, in welcher sie
eingewickelt waren, und gab sie dem Träger, schloss das Magazin wieder und
ging mit dem Träger fort. Unterwegs begegnete ihm der Dieb und folgte ihm,
bis er die Waren auf das Schiff gebracht. Dann sagte er zu ihm: "Mein
Freund, du hast Unrecht, mir meine Decke zu nehmen, da du doch alle deine Waren
wiedergefunden." Der Kaufmann lachte und gab ihm seine Decke wieder, und
ging seines Weges, ohne ihn anzuklagen.
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