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Der
freigebige Hund
Tausend und eine Nacht, Gustav Weil, Seite 1 ( von 2 )
Einst ward ein armer Mann so sehr von seinen Gläubigern gedrängt,
dass er seine Familie und seine Heimat verlassen und in fremde Länder
bettelnd umherziehen musste. Hungrig und müde, im zerknirschtesten
Seelenzustande, erreichte er eine große, prachtvolle Stadt von hohen
Mauern umgeben. Auf einem großen Platze sah er einige vornehme Leute in
ein Haus gehen, das einem königlichen Palaste glich, und folgte ihnen in
einen Saal, wo ein Mann von sehr ehrwürdigem Aussehen in dessen obern Ende
saß, der gleich einem Vezier von vielen Dienern und Sklaven umgeben war.
Der Mann stand vor seinen Gästen auf und hieß sie willkommen. Der
Arme aber trat erschrocken zurück, als er dies vielen Diener und andere
Pracht und Herrlichkeit sah, und setzte sich aus Furcht in einen Winkel, wo ihn
Niemand sehen konnte. Als er so da saß, kam ein Diener mit vier
Jagdhunden, die mit kostbaren Seidenstoffen bedeckt waren und goldenen Ketten
mit silbernen Schellen am Halse hatten, und band jeden derselben in einer Ecke
an. Dann ging er weg und kam nach einer Weile wieder mit goldenen
Schüsseln, voll von den herrlichsten Speisen, stellte jedem Hunde eine
solche Schüssel vor und entfernte sich wieder. Der Arme war so sehr vom
Hunger geplagt, dass er mit Lüsternheit nach den Speisen der Hunde sah,
und gern hätte er mit einem derselben gegessen, wenn er sich nicht
gefürchtet hätte. Einer dieser Hunde bemerkte dies durch eine
göttliche Eingebung, entfernte sich von seiner Schüssel und winkte
dem Armen zu, er möchte sich nähern. Der Arme trat herbei und
aß, bis er satt war, dann wollte er wieder gehen; aber der Hund gab ihm
durch Zeichen zu verstehen, er möge die Schüssel mit Allem, was darin
ist, nehmen, ja, er schob sie sogar mit der Tatze vor ihn hin. Der Arme nahm
sie, ging damit fort und Niemand folgte ihm.
Der Arme reiste dann in eine andere Stadt, verkaufte die goldenen
Schüssel, kaufte Waren dafür und kehrte damit in seine Heimat
zurück, verkaufte sie wieder, bezahlte seine Schulden und hatte nun so
viel Glück, dass er bald ein sehr reicher Mann wurde. Da dachte er: Ich
muss doch noch einmal in jene Stadt reisen, aus der ich die goldene
Schüssel genommen, und dem Eigentümer derselben ein schönes
Geschenk machen für die Freigebigkeit, die einer seiner Hunde gegen mich
ausgeübt, und ihm auch den Wert der Schüssel wieder ersetzen. Er
machte sich bald auf die Reise nach jener Stadt; als er aber das Haus suchte,
in welcher er die Schüssel gefunden, sah er an dessen Stelle einen
Steinhaufen, auf dem Raben krächzten. die Wohnungen waren verödet und
alles hatte ein Ansehen der Verwüstung. Er ließ sich betrübt
nieder und dachte nach über den Wechsel der Zeit und des Geschicks. Als er
umherblickte, sah er einen armen Mann in einem Grausen erregenden Zustande, der
Felsen erbarmen einflößte; er fragte ihn: "Wie ist das
Schicksal gegen den Eigentümer dieses Hauses verfahren? Wo sind die
leuchtenden Monde und Sterne (die schönen Mädchen)? Wo ist das
schöne Gebäude hingekommen, von dem nur noch einige Ruinen übrig
sind?" Der Arme antwortete, aus einem betrübten Herzen seufzend:
"Ein Jeder beherzige, was der Gesandte Gottes gesagt: Gott hat das Recht,
Jeden, den er erhoben, auch wieder zu erniedrigen. Frage nicht warum und wie
so; denn wer kann über die Launen des Schicksals sich wundern? Wisse, ich
war der Eigentümer dieses Hauses, ich habe es erbauen lassen und mir
gehörte es mit Allem, was darin war. Aber die Zeit hat sich geändert:
Ich habe mein ganzes Vermögen verloren, und befinde mich nun, ohne selbst
zu wissen warum, in diesem werbärmlichen Zustande." Auf die Frage des
Verarmten, was ihn herführe, erzählte ihm der wieder reich Gewordene
seine Geschichte mit dem Hunde und sagte ihm: er sei gekommen, um ihm den Wert
der goldenen Schüssel zurück zu erstatten, die ihm aus der Not
geholfen und um ihm ein ansehnliches Geschenk zu bringen.
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