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Alexander
und ein gottesfürchtiger König
Tausend und eine Nacht, Gustav Weil, Seite 1 ( von 1 )
So erzählt man auch: Alexander der Zweihörnige sah auf seinen
Zügen ein schwaches Volk, das gar nichts von den Annehmlichkeiten der Welt
besaß. Sie begruben ihre Toten vor die Türe ihrer Häuser,
besuchten beständig diese Gräber, und kehrten den Staub davon ab und
beteten darauf zu Gott, ihre Nahrung bestand ganz allein aus Kräutern und
Pflanzen der Erde. Da schickte Alexander Jemanden zu ihrem König und
ließ ihn zu sich bitten. Aber der König diese Volkes sagte:
"Ich habe Nichts bei ihm zu schaffen." Alexander ging zu ihm und
fragte ihn, wie es ihm und seinem Volke gehe. Er sehe weder Gold, noch Silber
bei ihnen, auch gar Nichts, was zu den Annehmlichkeiten des Lebens gehöre.
Der König erwiderte: "Was nützen die Annehmlichkeiten des
Lebens? Es wird doch Niemand mit dem, was er besitzt, zufrieden."
Alexander fragte ihn dann, warum sie ihre Toten vor ihre Häuser begraben.
Der König antwortete: "Damit wir sie stets vor Augen haben, immer an
den Tod denken und nie jenes Leben vergessen, damit die Liebe zur Welt aus
unserm Herzen weiche und uns nicht mehr von der Verehrung Gottes abziehe."
- "Und warum," fragte Alexander," nährt ihr euch von
Pflanzen?" - "Weil wir nicht unsern Leib zum Grabe der Tiere machen
wollen," erwiderte der König; "denn schmackhafte Speisen machen
nicht das Glück eines Menschen aus." Dann zog er einen
Menschenschädel heraus, legte ihn vor Alexander hin und fragte:
"Weißt du, wer das war?" - "Nein," antwortete
Alexander. "Es war," versetzte der König, "ein sehr
mächtiger Sultan, der seine Untertanen tyrannisierte, die Schwachen
unterdrückte und seine ganze Zeit verwendete, weltliche Gegenstände
zu sammeln. Gott hat nun seine Seele genommen und ihr die Hölle als
Wohnort angewiesen, und hier ist sein Kopf." Dann zog er einen andern
Schädel heraus und fragte: "Kennst du diesen?" -
"Nein", antwortete Alexander. "Dieser war," fuhr der
König fort, "ein gerechter König der Erde, ein Wohltäter
seiner Untertanen; Gott hat seine Seele im Paradies einen hohen Rang
angewiesen." Alexander musste laut weinen; dann drückte er den
König an sein Herz und sagte ihm: "Wenn du bei mir leben willst, so
ernenne ich dich zu meinen Vezier und teile mein Königreich mit dir."
Der König antwortete: "Das sei ferne von mir! dazu habe ich keine
Lust." - "Und warum?" fragte Alexander. "Darum,"
erwiderte der König, "weil alle Leute wegen deiner Macht und deines
Reichtums dich hassen, während sie mich in meiner Armut und
Genügsamkeit aufrichtig lieben; darum gelüste ich weder nach Macht,
noch nach andern weltlichen Vorzügen." Alexander drückte ihn
noch einmal an sein Herz, küsste ihn und ging weiter.
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