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Abul
Hasan und der Chalif Mamun
Tausend und eine Nacht, Gustav Weil, Seite 1 ( von 2 )
Man erzählt auch: Abu Hasan war einst in sehr großer Not, er wurde
von Bäckern, Gemüsehändlern und allen Handwerkern gedrängt,
und wusste sich gar nicht zu helfen. Da kam, als er über sein Armut
nachdenkend in seinem Hause saß. Sein Diener herein und sagte ihm:
"Es steht ein Pilger vor der Türe, der zu dir hereinzukommen
wünscht." Abu Hasan ließ ihn hereinkommen. Der Pilger, ein Mann
aus Chorasan, trat herein und grüßte Abu Hasan, der ihm seinen
Gruß erwiderte. Dann fragte er ihn: "Bist du Abu Hasan?" -
"Der bin ich, was begehrst du von mir?" - "Ich bin hier fremd
und bin auf der Pilgerfahrt nach dem heiligen Hause Gottes; ich habe
zehntausend Drachmen bei mir, die ich nicht gerne nachschleppen möchte,
ich wünsche daher, mein Geld dir aufzubewahren zu geben, bis ich von der
Pilgerfahrt zurückkehre. Kommt später die Pilgerkarawane zurück
und ich bin nicht dabei, so kannst du mich als gestorben betrachten und das
Geld als ein Geschenk von mir behalten." - Ich sagte, so erzählt Abu
Hasan: "Es sei so, mit Gottes Willen." Da zog der Fremde einen
großen Geldsack heraus, ich ließ mir von einem Diener die Waage
bringen, und als der Pilger das Geld gewogen hatte, übergab er es mir und
ging fort. Sobald der Pilger fort war, ließ ich meine Gläubiger
kommen und bezahlte meine Schulden, denn ich dachte: Gott wird mir schon
helfen, bis der Pilger von Mekka zurückkehrt. Aber am anderen Tag kam auf
einmal der Diener und meldete mir den Pilger aus Chorasan, der einen Tag vorher
bei mir war. Ich ließ ihn bitten, hereinzukommen, und als er bei mir war,
sagte er: "Ich hatte beschlossen, nach Mekka zu wallfahren, nun erhielt
ich aber Nachricht, dass mein Vater gestorben ist, so dass ich nach meiner
Heimat zurückreisen muss; gib mir daher das Geld, das ich dir
aufzubewahren gegeben, wieder." Da kam ich in die allergrößte
Verlegenheit, in der sich je irgend Einer befand; ich wusste nicht, was ich
antworten sollte: leugnete ich, das Geld empfangen zu haben, so hätte er
mich schwören lassen, und es wäre mir um meine Ehre in jener Welt
geschehen gewesen; gestand ich die Wahrheit, so hätte er mich hier zu
Schanden gemacht. Endlich sagte ich ihm: "Mein Haus ist nicht dazu
eingerichtet, Geld zu verwahren, ich habe daher dein Geld einem Freunde
gebracht, bei dem es besser verschlossen werden kann; komme also morgen wieder,
ich will es inzwischen von ihm holen lassen." Der Pilger ging fort, und
ich war in der größten Verzweiflung und konnte die ganze Nacht vor
Angst wegen der Wiederkehr des Pilgers kein Auge schließen. Da ich keine
Ruhe zu Hause fand, hieß ich mitten in der Nacht meinen Diener den
Maulesel satteln. Er sagte mir: ich könne doch nicht ausreiten, der Morgen
sei noch fern. Ich ging wieder zu Bette, konnte aber nicht schlafen und weckte
dreimal den Diener, der mir immer sagte: es sei noch zu früh, bis endlich
der Morgenstern leuchtete; da ritt ich aus, ohne zu wissen wohin, und
ließ den Maulesel den Zaum frei, so dass er hingehen konnte, wo er
wollte. Er trug mich in den östlichen Teil der Stadt Bagdad; ich begegnete
einigen Leuten, wollte ihnen ausweichen und einen andern Weg einschlagen, aber
als sie bemerkten, dass ich das Kostüm eines Rechtsgelehrten trug, folgten
sie mir und fragten mich: ob ich wisse, wo Abu Hasan wohne. Ich sagte:
"Ich bin Abu Hasan." Als sie dies hörten sagten sie: "Komm
zum Fürsten der Gläubigen." Ich ging mit ihnen zum Chalifen
Mamun, und dieser, als er hörte, ich sei Abu Hasan, bat mich, ihm zu
erzählen, was mir widerfahren. Ich erzählte ihm die ganze Geschichte
mit dem Mann aus Chorasan. Da fing er laut zu weinen an und sagte: "Wehe
dir! der Gesandte Gottes (Friede sei mit ihm!) hat mich die ganze Nacht wegen
deiner nicht schlafen lassen. Sobald ich anfangs der Nacht einschlafen wollte,
rief er mir zu: Hilf Abu Hasan! Da erwachte ich und wusste nicht, was ich tun
sollte, weil ich dich nicht kannte. Ich schlief wieder ein, und er rief wieder:
Wehe dir! hilf Abu Hasan!
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